Ähnlicher Meinung waren auch noch manche bedeutenden Sozialisten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Als die wissenschaftliche Nationalökonomie geschaffen und die große Entdeckung von Smith-Ricardo gemacht wurde, daß alle Warenwerte auf menschlicher Arbeit beruhen, kamen sofort einzelne Freunde der Arbeiterklasse auf die Idee, daß bei richtiger Durchführung des Warenaustausches völlige Gleichheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft herrschen müßten. Denn tauscht sich stets nur Arbeit gegen Arbeit in gleichen Mengen aus, so kann unmöglich eine Ungleichheit des Reichtums eintreten, höchstens die wohlverdiente Ungleichheit zwischen den Arbeitsamen und den Faulen, und der ganze gesellschaftliche Reichtum muß denjenigen gehören, die arbeiten, das heißt der Arbeiterklasse. Wenn wir also trotzdem in der heutigen Gesellschaft große Unterschiede in der Lage der Menschen, wenn wir Reichtum neben Elend sehen und gerade Reichtum bei den Nichtarbeitenden und Elend bei denjenigen, die alle Werte durch ihre Arbeit schaffen, so muß das offenbar aus einer Unredlichkeit bei dem Austausch entstehen, und zwar dank dem Umstand, daß bei dem Austausch der Arbeitsprodukte das Geld als Vermittler dazwischenspringe.[1] Das Geld verdeckt die wahre Herkunft aller Reichtümer von der Arbeit, ruft beständige Preisschwankungen hervor und gibt daher die, Möglichkeit zu willkürlichen Preisen, zu Prellereien und zur Ansammlung von Reichtümern auf Kosten anderer. Also fort mit dem Gelde! Dieser auf die Abschaffung des Geldes gerichtete Sozialismus kam zuerst in England auf, wo ihn schon in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts sehr talentvolle Schriftsteller, wie Thompson, Bray und andere, vertraten; dann erfand nochmals diese Sorte Sozialismus in Preußen der konservative pommersche Junker und glänzende nationalökonomische Schriftsteller Rodbertus, und zum drittenmal erfand diesen Sozialismus in Frankreich im Jahre 1849 Proudhon. Selbst praktische Versuche nach dieser Richtung wurden unternommen. Unter dem Einfluß des obengenannten Bray wurden in London und in vielen anderen Städten Englands sogenannte „Bazare für den gerechten Arbeitsaustausch“ gegründet, wohin die Waren gebracht wurden, um ohne Geldvermittlung streng nach der in ihnen enthaltenen Arbeitszeit ausgetauscht zu werden. Auch Proudhon hat die Gründung seiner sogenannten „Volksbank“ zu diesem Zwecke vorgeschlagen. Diese Versuche sowie die Theorie selbst machten bald Bankrott. Der Warenaustausch ohne Geld ist in der Tat undenkbar, und jene Preisschwankungen, die man abschaffen
[1] Randnotiz R. L.: Vgl. [Kapitel über] John Bellers. [In: Eduard] Bernstein: Engl. Rev. [Sozialismus und Demokratie in der großen englischen Revolution, Stuttgart 1908], S. 354.