Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 722

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-5/seite/722

Gegenden zur Aussonderung einer „allgemeinen Ware“, die als Grundlage des ganzen Handels und Vermittlerin aller Tauschgeschäfte zu dienen geeignet ist. Dasselbe ergibt sich mit der späteren Entwicklung aus der besonderen Beschäftigung jedes Stammes. Bei den Jägervölkern ist das Wild selbstverständlich die von ihnen für alle möglichen Produkte gebotene „allgemeine Ware“. Im Handel der Hudsonbaigesellschaft spielen diese Rolle die Biberfelle. Bei den Fischerstämmen sind Fische die natürlichen Vermittler aller Tauschgeschäfte. Nach der Erzählung eines französischen Reisenden wird auf den Shetlandinseln sogar beim Kauf eines Theaterbilletts der Rest in Fischen herausgegeben.[1] Die Notwendigkeit einer solchen allgemein beliebten Ware als allgemeiner Tauschvermittlerin wird manchmal sehr empfindlich fühlbar. So beschreibt zum Beispiel der bekannte Afrikareisende Samuel Baker seinen Tauschhandel mit den Negerstämmen im Innern Afrikas: „Es wird immer schwerer, sich die Nahrungsmittel zu verschaffen. Die Eingeborenen verkaufen Mehl nicht anders als im Tausch gegen Fleisch. Deshalb verschaffen wir es uns folgendermaßen: Im Tausch gegen Kleider und Schuhe kaufen wir bei türkischen Kaufleuten eiserne ,Hämmer‘ (Spaten) ; für Hämmer kaufen wir einen Ochsen, dieser wird in ein entlegenes Dorf geführt, geschlachtet, und das Fleisch wird ungefähr in 100 Stücke zerteilt. Mit diesem Fleisch und mit drei großen Körben setzten sich meine Leute auf die Erde, die Eingeborenen kommen dann und schütten für jedes Stück Fleisch in die Körbe ein kleines Körbchen Mehl. Dies ein Beispiel des mühevollen mittelafrikanischen Mehlhandels.“[2]

Mit dem Übergang zur Viehzucht wird das Vieh allgemeine Ware im Tauschhandel und allgemeiner Wertmaßstab. Dies war der Fall bei den alten Griechen, wie sie uns Homer beschreibt. Indem er zum Beispiel die Ausrüstung jedes Helden genau schildert und einschätzt, sagt er, daß das Rüstzeug des Glaukus 100 Rinder kostete, dasjenige von Diomedes 9 Rinder. Neben dem Vieh dienten aber zu jener Zeit bei den Griechen auch noch einige andere Produkte als Geld. Derselbe Homer sagt, daß bei der Belagerung Trojas für den Wein aus Lemnos bald Felle, bald Ochsen, bald Kupfer oder Eisen gezahlt wurde. Bei den alten Römern war, wie gesagt, der Begriff „Geld“ mit Vieh identisch; ebenso galt bei den alten Germanen das Vieh als allgemeine Ware. Mit dem Übergang zur Land-

Nächste Seite »



[1] Randnotiz R. L.: Sieber [N. J. Siber: Dawid Rikardo i Karl Marks b ich obstschestwenno – eko-nomitscheskich issledowanijach. In: Isbrannyje ekonomitscheskije proiswedenija w dwuch tomach, Bd. 1, Moskau 1959], S. 246.

[2] [Samuel Baker:] Reise zu den Nilquellen [Der Albert Nyanza, das große Becken des Nil und die Erforschung der Nilquellen, Erster Band, Jena 1867], S. 326. Im Originnal mit *.