Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 718

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Silberschmied. Die meisten Handwerksarbeiten, wie das Spinnen, Weben, Kleidermachen, Backen, Schlachten, Wurstmachen usw„ das alles wurde von jeder Familie als Nebenbeschäftigung neben der landwirtschaftlichen Hauptarbeit zu Hause betrieben, wie dies auch jetzt noch in vielen Dörfern in Rußland der Fall ist, insofern die Bevölkerung nicht bereits in den Austausch, in den Handel hineingezogen ist. Die Arbeitsteilung, das heißt die Absonderung einzelner Arbeitszweige als ausschließliche Spezialberufe, kann sich nämlich erst richtig entwickeln, wenn das Privateigentum und der Austausch bereits da sind. Erst das Privateigentum und der Austausch ermöglichen die Herausbildung besonderer Spezialberufe. Denn erst, wenn ein Produzent Aussicht hat, seine Produkte regelmäßig gegen andere auszutauschen, hat es für ihn Zweck, überhaupt sich der Spezialproduktion zu widmen. Und erst das Geld gibt jedem Produzenten die Möglichkeit, die Frucht seines Fleißes aufzubewahren und aufzuhäufen und dadurch auch den Antrieb zur möglichst ausgedehnten regelmäßigen Produktion für den Markt. Andererseits aber wird dieses Produzieren für den Markt und das Aufhäufen des Geldes nur dann einen Zweck für den Produzenten haben, wenn sein Produkt und dessen Erlös sein Privateigentum sind. In der kommunistischen Urgemeinde ist aber das Privateigentum gerade ausgeschlossen, und die Geschichte zeigt uns, daß das Privateigentum erst infolge des Austausches und der Spezialisierung der Arbeiten entstanden ist. So stellt es sich heraus, daß die Ausbildung der Spezialberufe, das heißt die hockentwickelte Arbeitsteilung, nur bei Privateigentum und bei entwickeltem Austausch möglich ist. Andererseits aber ist es klar, daß der Austausch selbst nur dann möglich ist, wenn die Arbeitsteilung bereits vorhanden ist; denn welchen Zweck hätte der Austausch unter Produzenten, die alle ein und dasselbe produzieren? Erst wenn X zum Beispiel nur Stiefel produziert, während Y nur Brot bäckt, hat es Sinn und Zweck, daß die beiden ihre Produkte austauschen. So stoßen wir auf einen seltsamen Widerspruch: Der Austausch ist nur möglich bei Privateigentum und bei entwickelter Arbeitsteilung, die Arbeitsteilung kann aber erst infolge des Austausches und auf Grundlage des Privateigentums entstehen, das Privateigentum seinerseits entsteht aber erst durch den Austausch. Es ist dies, wenn Sie näher zusehen, sogar ein doppelter Widerspruch: Die Arbeitsteilung muß vor dem Austausch da sein, und der Austausch soll zugleich vor der Arbeitsteilung schon da sein; ferner: Das Privateigentum ist die Voraussetzung für die Arbeitsteilung und den Austausch, es kann sich aber selbst nicht anders entwickeln als erst aus der Arbeitsteilung und dem Austausch. Wie ist eine solche Verschlingung möglich? Wir drehen uns da

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