Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 712

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je mehr, je häufiger das Vieh so als Vermittler der Tauschgeschäfte aus einer Hand in die andere geht, um so mehr befestigt sich seine allgemeine unbeschränkte Beliebtheit, um so mehr wird es zu der einzigen jederzeit begehrten, austauschbaren Ware, zur allgemeinen Ware.)

Wir haben früher gesehen, jedes Arbeitsprodukt ist in einer Gesellschaft von zersplitterten Privatproduzenten ohne gemeinschaftlichen Arbeitsplan zunächst eine Privatarbeit. Ob diese Arbeit gesellschaftlich notwendig war, ob also ihr Produkt einen Wert hat und dem Arbeitenden einen Anteil an den Produkten der Gesamtheit sichert, ob es nicht vielmehr weggeworfene Arbeit war, das zeigt einzig und allein die Tatsache, daß dieses Produkt in Tausch genommen wird. Nun werden aber alle Produkte nur mehr gegen Vieh ausgetauscht. Jetzt gilt also ein Produkt nur insofern als gesellschaftlich notwendig, wenn es sich gegen Vieh austauschen läßt. Seine Tauschbarkeit gegen Vieh, seine Gleichwertigkeit mit Vieh gibt jetzt jedem Privatprodukt erst den Stempel der gesellschaftlich notwendigen Arbeit. Wir haben weiter gesehen, daß erst durch den Warenaustausch und nur durch den Warenaustausch der vereinzelte, isolierte Privatmensch zum Gesellschaftsmitglied gestempelt wird. Jetzt müssen wir genauer sagen: durch Austausch gegen das Vieh. Das Vieh gilt nunmehr als die Verkörperung der gesellschaftlichen Arbeit, und somit ist das Vieh jetzt das einzige gesellschaftliche Band zwischen den Menschen.

Hier werden Sie sicher das innere Gefühl haben, nun hätten wir uns verrannt. Soweit war noch alles einigermaßen faßbar und ließ sich hören. Aber zum Schluß: Dieses Vieh als allgemeine Ware, Vieh als Verkörperung der gesellschaftlichen Arbeit, ja Vieh als einziges Band der menschlichen Gesellschaft – das ist schon eine verrückte Phantasie und dazu eine für das Menschengeschlecht beleidigende Phantasie! Doch Sie würden sich, wenn Sie etwas derartiges denken, ganz grundlos beleidigt fühlen. Denn so geringschätzig und von oben herab Sie auf das arme Vieh herabblicken mögen, so ist es jedenfalls klar, daß es dem Menschen viel näher steht und ihm doch gewissermaßen ähnlich, jedenfalls unendlich ähnlicher ist als, sagen wir, ein vom Boden aufgehobener Klumpen Lehm oder ein Kiesel oder ein Stückchen Eisen. Sie müssen zugeben, daß das Vieh jedenfalls schon eher würdig wäre, das lebendige gesellschaftliche Band zwischen den Menschen darzustellen, als ein toter Klumpen Metall. Und doch hat die Menschheit in diesem Fall gerade dem Metall den Vorzug gegeben. Denn in der früher beschriebenen Bedeutung und Rolle des Viehs im Austausch ist es nichts anderes als – das Geld. Wenn Sie sich nun das Geld durchaus nicht anders als in der Gestalt von gemünzten Gold- oder Silber-

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