Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 705

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Reichtum weg sowie zwischen diesem Anteil und der Größe des Gesamtreichtums der Gesellschaft. Jetzt wird nur das von jedem Mitglied auf dem Warenmarkt präsentierte Produkt, und nur sofern es im Tausch als gesellschaftlich notwendiges akzeptiert wird, maßgebend für seinen Anteil am gesellschaftlichen Reichtum;

3. endlich wird durch den Mechanismus des Austausches selbst auch die gesellschaftliche Arbeitsteilung geregelt. Früher bestimmte die Gemeinde, sie brauche soundso viele Ackerknechte, soundso viele Schuster, Bäcker, Schlosser und Schmiede usw. Die richtige Proportion zwischen den einzelnen Gewerben wie die Sorge dafür, daß alle nötigen Arbeitszweige ausgeübt werden, lag der Gemeinde und ihren gewählten Beamten ob. Sie kennen auch wohl den berühmten Fall, wo die Vertreter einer Dorfgemeinde darum baten, man solle einen zum Tode verurteilten Schlosser freilassen und dafür lieber einen Schmied hängen, deren es zwei im Dorfe gab. Das ist ein glänzendes Beispiel der öffentlichen Sorge für die richtige Arbeitsteilung in einem Gemeinwesen. (Übrigens sahen wir, wie im Mittelalter Kaiser Karl ausdrücklich die Arten der Handwerker und ihre Zahl für seine Güter vorschrieb. Wir sahen auch, wie in den mittelalterlichen Städten das Zunftreglement dafür sorgte, daß die einzelnen Gewerbe im richtigen Maß ausgeübt wurden, und lud fehlende Handwerker von auswärts in die Stadt ein.) Bei freiem und unbeschränktem Austausch wird dies durch den Austausch selbst geregelt. Jetzt heißt unseren Schuster niemand schustern. Will er, so kann er Seifenblasen produzieren oder papierene Drachen. Er kann sich aber auch, wenn es ihm einfällt, statt auf Stiefelmachen aufs Weben, Spinnen oder auf die Goldschmiedekunst verlegen. Niemand sagt ihm, daß ihn die Gesellschaft überhaupt und daß sie ihn speziell als Schuster braucht. Freilich braucht die Gesellschaft im allgemeinen Schuhwerk. Aber wieviel Schuster dieses Bedürfnis decken können, bestimmt jetzt niemand. Ob also der gegebene Schuster nötig ist, ob nicht vielmehr ein Weber oder Schmied fehlt, das sagt unserm Schuster niemand. Aber was ihm niemand sagt, das erfährt er wieder einzig und allein auf dem Warenmarkt. Werden seine Schuhe in Tausch genommen, so weiß er, daß die Gesellschaft ihn als Schuster braucht. Und umgekehrt. Er kann die beste Ware anfertigen, wenn aber andere Schuster genügend den Bedarf gedeckt haben, so ist seine Ware überflüssig. Wiederholt sich das, so muß er sein Gewerbe aufgeben. Der überzählige Schuster wird von der Gesellschaft in derselben mechanischen Weise ausgeschieden, wie etwa überflüssige Stoffe aus dem tierischen Körper ausgeschieden werden: indem seine Arbeit nicht als gesellschaftliche Arbeit akzeptiert, er also auf

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