Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 704

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-5/seite/704

oder jener fleißig arbeiten, und sein Produkt ist doch, wenn es keinen Abnehmer zum Tausch findet, ein weggeworfenes, zählt gar nicht. Nur der Austausch bestimmt, was für Arbeiten und was für Produkte notwendig waren, also gesellschaftlich zählen. Es ist gleichsam, als wenn alle erst zu Hause blindlings darauflosarbeiteten, dann ihre fertigen Privatprodukte auf einen Platz zusammenschleppten und hier die Sachen gesichtet werden, dann wird erst ein Stempel aufgedrückt: Dies und das waren gesellschaftlich notwendige Arbeiten und werden im Tausch angenommen, jenes aber waren nicht notwendige, sind also null und nichtig. Dieser Stempel besagt: Dies und das hat Wert, jenes ist wertlos und bleibt Privatvergnügen respektive -pech des Betreffenden.

Fassen wir die verschiedenen Einzelheiten zusammen, so ergibt sich, daß durch die bloße Tatsache des Warenaustausches, ohne jede andere Einmischung oder Regelung, dreierlei wichtige Verhältnisse bestimmt werden:

1. der Anteil jedes Mitgliedes der Gesellschaft an der gesellschaftlichen Arbeit. Dieser Anteil, nach Art und Maß, wird ihm nicht mehr von vornherein von der Gemeinde zugewiesen, sondern nur post festum, am fertigen Produkt akzeptiert oder nicht akzeptiert. Früher war jedes einzelne Paar Stiefel, das unser Schuster anfertigte, unmittelbar und im voraus, schon auf dem Leisten, gesellschaftliche Arbeit. Jetzt sind seine Stiefel zunächst Privatarbeit, die niemanden was angeht. Dann werden sie erst auf dem Tauschmarkt gesichtet, und nur insofern sie in Tausch genommen werden, wird die auf sie verwendete Arbeit des Schusters als gesellschaftliche Arbeit anerkannt. Anders bleiben [sie] seine Privatarbeit und sind wertlos;

2. der Anteil jedes Mitglieds am gesellschaftlichen Reichtum. Vorher kriegte der Schuster seinen Teil der in der Gemeinde verfertigten Produkte bei der Verteilung. Dies wurde bemessen: erstens nach der allgemeinen Wohlhabenheit, nach dem jedesmaligen Stand des Vermögens der Gemeinde, zweitens nach den Bedürfnissen der Mitglieder. Eine zahlreichere Familie mußte mehr kriegen als eine wenig zahlreiche. Bei der Verteilung der eroberten Ländereien unter den germanischen Stämmen, die zur Zeit der Völkerwanderung nach Europa kamen und auf den Trümmern des römischen Reiches sich niederließen, spielte auch die Größe der Familie eine Rolle. Die russische Gemeinde, die noch in den achtziger Jahren hie und da Umteilungen ihres Gemeineigentums vornahm, zog dabei die Kopfzahl, die Zahl der „Mäuler“ jedes Hausstandes in Betracht. Bei der allgemeinen Herrschaft des Austausches fällt jedes Verhältnis zwischen dem Bedürfnis des Gesellschaftsmitgliedes und seinem Anteil an

Nächste Seite »