Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 703

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wendige Arbeit anerkannt wird, sagt ihm niemand, sondern das erfährt er daraus, daß seine Ware in Tausch genommen, daß sie austauschbar wird. Sein Anteil an der Arbeit und an dem Produkt der Gesamtheit wird also nur dadurch gesichert, daß seinen Produkten der Stempel der gesellschaftlich notwendigen Arbeit aufgedrückt wird, der Stempel des Tauschwerts.[1] Bleibt sein Produkt unaustauschbar, dann hat er ein wertloses Produkt geschaffen, dann war seine Arbeit gesellschaftlich überflüssig. Dann ist er auch nur ein Privatschuster, der zum eigenen Zeitvertreib Leder verschnitt und Stiefel pfuschte, ein Privatschuster, der gewissermaßen außerhalb der Gesellschaft steht; denn die Gesellschaft will nichts von seinem Produkt wissen, und deshalb sind ihm auch die Produkte der Gesellschaft unzugänglich. Hat unser Schuster heute seine Stiefel glücklich umgetauscht und hat er Lebensmittel dafür gekriegt, so kann er nicht nur gesättigt und gekleidet, sondern auch stolz heimkehren: Er ist als nützliches Mitglied der Gesellschaft, seine Arbeit als notwendige Arbeit anerkannt worden. Kehrt er aber mit seinen Stiefeln zurück, weil sie ihm niemand abnehmen wollte, dann hat er allen Grund, melancholisch zu sein, denn er bleibt ohne Suppe, und zugleich hat man ihm dadurch gewissermaßen, wenn auch mit kaltem Schweigen, erklärt: Die Gesellschaft braucht dich nicht, Freundchen, deine Arbeit war gar nicht notwendig, du [bist] also ein überflüssiger Mensch, der sich ruhig aufhängen kann. Den Anschluß an die Gesellschaft gibt unserm Schuster also jedesmal nur ein Paar austauschbare Stiefel, allgemein gesprochen, eine Ware von Tauschwert. Aber genau in derselben Lage wie unser Schuster befinden sich der Bäcker, der Weber, der Landmann – alle.[2] Die Gesellschaft, die den Schuster bald anerkennt, bald schnöde und kalt ausstößt, ist ja nur die Summe all dieser einzelnen Warenproduzenten, die gegenseitig für den Tausch arbeiten. Die Summe gesellschaftliche Arbeit und gesellschaftliches Produkt, die auf diese Weise zustande kommt, gleicht jetzt deshalb gar nicht der Summe aller Arbeiten und Produkte einzelner Mitglieder, wie das früher bei der kommunistischen, gemeinschaftlichen Wirtschaft der Fall war. Denn jetzt kann dieser

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[1] Randnotiz R. L.: Gesellschaftliche Arbeit 1. als Summe der Arbeiten der Gesellschaftsmitglieder füreinander, 2. in dem Sinne, daß das Produkt jedes einzelnen selbst ein Resultat der Zusammenarbeit vieler (Rohstoffe, Werkzeug), ja der ganzen Gesellschaft (Wissenschaft, Bedürfnis) ist. In beiden Fällen wird der gesellsch. Charakter durch den Austausch vermittelt. Das Wissen in der komm. Gemeinde, in der Fronwirtsch. u. jetzt.

[2] Randnotiz R. L.: NB. Überproduzierte, unaustauschbare Waren u. unverzehrbarer Vorrat in einer organisierten Gesellschaft: Komm. Gemeinde (Reis ind.), Sklavenwirtsch„ Fronwirtsch. (Klöster im Mittelalt.). Unterschied: ersteres nicht gesellsch. Arbeit, letzteres wohl. Verhältnis zum „Bedürfnis” (zahlungsunfähiges Bedürfnis einers. u. Überproduktion unverkäuflicher Waren andererseits), Überprod. in der sozialist. Gesellsch.