Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 702

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sein unumschränkter freier Herr, die Gemeinde existiert nicht als Autorität. Aber wenn er nicht arbeitet, kriegt er auch nichts zum Tausch von den Produkten der Arbeit anderer. Andererseits aber ist heute der einzelne gar nicht einmal sicher, wenn er noch so fleißig arbeitet, daß er zu den ihm notwendigen Lebensmitteln kommt; denn niemand ist ja gezwungen, ihm solche zu geben, auch gegen seine Produkte. Der Tausch kommt nur dann zustande, wenn ein gegenseitiges Bedürfnis vorliegt. Braucht man augenblicklich keine Stiefel in der Gemeinde, so kann der Schuster noch so fleißig arbeiten und noch so feine Ware anfertigen, niemand wird sie ihm abnehmen und ihm dafür Brot, Fleisch usw. geben, und so bleibt er ohne das Nötigste zum Leben. Hier kommt wieder ein springender Unterschied im Vergleich zu den früheren kommunistischen Verhältnissen in der Gemeinde zum Ausdruck. Die Gemeinde hielt sich den Schuster, weil man in der Gemeinde überhaupt Stiefel braucht. Wieviel Stiefel er anfertigen sollte, das wurde ihm von der zuständigen Gemeindebehörde gesagt, er arbeitete ja nur gewissermaßen als Gemeindediener, als Gemeindebeamter, und ein jeder war genau in derselben Lage. Hielt sich aber die Gemeinde einen Schuster, so mußte sie ihn selbstverständlich auch ernähren. Er kriegte seinen Anteil wie jeder andere aus dem gemeinschaftlichen Reichtum, und dieser sein Anteil stand in keinem direkten Zusammenhang mit seinem Anteil an der Arbeit. Freilich mußte er arbeiten, und er wurde ernährt, weil er arbeitete, weil er ein nützliches Mitglied der Gemeinde war. Aber ob er gerade in diesem Monat mehr oder weniger Stiefel anzufertigen hatte oder zeitweise gar keine, deshalb kriegte er seine Lebensmittel, seinen Anteil an Gemeindemitteln genau so. Jetzt kriegt er nur in dem Maße, wie man seine Arbeit braucht, das heißt in dem Maße, wie sein Produkt im Tausch von anderen genommen wird, Zug um Zug. Jeder arbeitet also drauflos, wie er will, soviel er will, woran er will. Die einzige Bestätigung, daß er das Richtige produziert hat, was die Gesellschaft braucht, daß er tatsächlich gesellschaftlich notwendige Arbeit verrichtet hat, liegt in der Tatsache, daß sein Produkt von anderen genommen wird. Also nicht jede noch so fleißige und gediegene Arbeit hat jetzt von vornherein einen Zweck und einen Wert vom gesellschaftlichen Standpunkt; nur ein Produkt, das austauschbar ist, hat Wert; ein Produkt, das von niemand in Tausch genommen wird, und mag es noch so gediegen sein, ist wertlos, weggeworfene Arbeit.

Jetzt muß also jeder, um sich an den Früchten der gesellschaftlichen Produktion, also auch an der gesellschaftlichen Arbeit zu beteiligen, Waren produzieren. Daß seine Arbeit aber als tatsächlich gesellschaftlich not-

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