Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 701

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Austausch bestimmt sind. Der Schuster muß fortwährend Schuhe produzieren, die er selbst gar nicht braucht, die für ihn ganz nutzlos, weggeworfene Arbeit sind. Sie haben für ihn nur den Nutzen und Zweck, daß er sie gegen andere Produkte, die er braucht, eintauschen kann. Er produziert also im voraus seine Stiefel zum Austausch, das heißt, er produziert sie als Ware. Jeder kann jetzt nur dann seine Bedürfnisse befriedigen, das heißt zu Produkten, die andere hergestellt haben, gelangen, wenn er seinerseits mit einem Produkt erscheint, das andere brauchen und das er zu diesem Zweck mit seiner Arbeit hergestellt hat, das heißt, jeder gelangt zu seinem Anteil an den Produkten aller anderen, an dem gesellschaftlichen Produkt, wenn er selbst mit einer Ware erscheint. Das von ihm selbst für den Tausch verfertigte Produkt ist jetzt sein Forderungsrecht auf einen Teil des gesellschaftlichen Gesamtprodukts. Das gesellschaftliche Gesamtprodukt existiert jetzt zwar nicht mehr in der früheren Form wie in der kommunistischen Gemeinde, wo es direkt in seiner Masse, in seiner Ganzheit den Reichtum der Gemeinde darstellte und dann erst verteilt wurde. Das heißt, es wurde von allen gemeinschaftlich für die Rechnung der Gemeinde und unter der Leitung der Gemeinde gearbeitet, und was produziert war, kam also schon zur Welt als gesellschaftliches Produkt. Dann folgte erst die Verteilung des gemeinsamen Produkts an die einzelnen, und dann trat das Produkt erst in den Privatgebrauch einzelner Gemeindemitglieder. Jetzt wird umgekehrt verfahren: Jeder produziert als einzelner Privatmensch auf eigene Faust, und erst die fertigen Produkte bilden im Austausch zusammen eine Summe, die man als gesellschaftlichen Reichtum betrachten kann. Der Anteil eines jeden, sowohl an der gesellschaftlichen Arbeit wie an dem gesellschaftlichen Reichtum, wird nun dargestellt durch die spezielle Ware, die er mit seiner Arbeit angefertigt und zum Tausch mit anderen gebracht hat. Der Anteil eines jeden an der gesellschaftlichen Gesamtarbeit wird jetzt also nicht mehr in einem gewissen Quantum ihm im voraus zugewiesener Arbeit dargestellt, sondern im fertigen Produkt, in der Ware, die er nach seinem freien Ermessen liefert.[1] Wenn er nicht will, braucht er gar nicht zu arbeiten, er kann nur spazierengehen, niemand wird ihn dafür schelten oder in Strafe nehmen, wie dies wohl mit den renitenten Mitgliedern der kommunistischen Gemeinde geschah, wo Faulenzer wahrscheinlich vom „Haupteinwohner“, dem Haupt der Gemeinde, scharf ermahnt oder auch auf der Gemeindeversammlung der öffentlichen Verachtung preisgegeben wurden. Jetzt ist jeder Mensch

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[1] Randnotiz R. L.: Jetzt ist es aber nicht mehr die Gemeinde als Ganzes, mit der er zu tun hat und die stets ein Bedürfnis nach dem Produkt hat, sondern die einzelnen Mitglieder der Gemeinde.