Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 700

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nur ein einzelnes befriedigen. Jeder braucht deshalb ein gewisses Maß von den Produkten aller anderen. Sie sind alle aufeinander angewiesen. Wie aber dies bewerkstelligen, da wir wissen, daß zwischen den einzelnen Produzenten keinerlei Beziehungen und Bande mehr existieren. Der Schuster braucht dringend Brot vom Bäcker, er hat aber keine Mittel, sich dieses Brot zu verschaffen, er kann den Bäcker nicht zwingen, ihm Brot zu liefern, da sie beide gleich freie und unabhängige Menschen sind. Wenn er die Frucht der Arbeit des Bäckers sich zugute kommen lassen will, so kann dies offenbar nur auf Gegenseitigkeit beruhen, das heißt, wenn er dem Bäcker seinerseits ein diesem nützliches Produkt liefert. Aber der Bäcker braucht ebenfalls Produkte des Schuhmachers und befindet sich genau in derselben Lage wie dieser. Der Grund zur Gegenseitigkeit ist damit gegeben. Der Schuhmacher gibt dem Bäcker Stiefel, um dafür von diesem Brot zu bekommen. Schuster und Bäcker tauschen ihre Produkte ein und können jetzt beide ihre Bedürfnisse befriedigen. So ergibt es sich, daß bei hochentwickelter Arbeitsteilung, bei gänzlicher Unabhängigkeit der Produzenten voneinander und bei dem Mangel jeglicher Organisation zwischen ihnen der einzige Weg, um die Produkte verschiedener Arbeiten allen zugänglich zu machen – der Austausch ist. Der Schuster, der Bäcker, der Landwirt, der Spinner, der Weber, der Schlosser – alle tauschen gegenseitig ihre Produkte ein und befriedigen so ihre allseitigen Bedürfnisse. Der Austausch hat somit ein neues Band zwischen den zersplitterten, vereinzelten, voneinandergerissenen Privatproduzenten geschaffen. Die Arbeit und die Konsumtion, das Leben der zertrümmerten Gemeinde kann wieder losgehen, denn der Austausch hat ihnen die Möglichkeit gegeben, wieder alle füreinander zu arbeiten, das heißt, er hat die gesellschaftliche Zusammenarbeit, die gesellschaftliche Produktion auch unter der Form der zersplitterten Privatproduktion wieder ermöglicht.

Aber es ist dies eben eine ganz neue, eigentümliche Art und Weise der gesellschaftlichen Zusammenarbeit, und wir müssen sie uns näher betrachten. Jeder einzelne Mensch arbeitet jetzt auf eigene Faust, er produziert für eigene Rechnung, nach eigenem Willen und Ermessen. Er muß jetzt, um zu leben, Produkte herstellen, die er nicht braucht, sondern die andere brauchen. Jeder arbeitet somit für andere. Das ist an sich nichts Besonderes und nichts Neues. Auch in der kommunistischen Gemeinde arbeiteten alle füreinander. Das Besondere aber ist, daß jetzt jeder sein Produkt an andere nur im Tausch hergibt und Produkte anderer nur auf dem Wege des Tausches kriegen kann. Jeder muß jetzt also, um zu Produkten, die er braucht, zu gelangen, durch eigene Arbeit Produkte herstellen, die zum

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