Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 694

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Stolz saß, von sieben bunten Schirmen gegen die Sonne geschützt, der Muata da;, als Zepter schwenkte er einen Gnuschwanz, und zwölf mit Besen versehene Neger waren beschäftigt, jedes Stäubchen, jede Unreinlichkeit aus seiner heiligen Nähe vom Boden zu entfernen. Um den Herrscher entfaltete sich ein sehr komplizierter Hofstaat. Zunächst hüteten seinen Thron zwei Reihen 40 cm hoher Figuren, welche den Oberteil eines mit Tierhörnern geschmückten Negers vorstellten, und zwischen diesen Figuren war ein Käfig, der eine kleinere Figur enthielt. Vor den Figuren saßen zwei Neger, welche auf Kohlenbecken aromatische Blätter verbrannten. Den Ehrenplatz nahmen die beiden Hauptweiber ein, deren erstes ähnlich wie der Muata gekleidet war. Im Hintergrunde war der 400 Frauen zählende Harem aufmarschiert; doch waren diese Damen, den Leibschurz abgerechnet, gänzlich nackt. Außerdem standen noch 200 schwarze Damen jedes Befehls gewärtig da. Innerhalb des von den Weibern gebildeten Vierecks saßen die höchsten Würdenträger des Reiches, die Kilolo, auf Löwen- und Leopardenfellen, jeder mit einem Sonnenschirm und ähnlich wie der Muata gekleidet; verschiedene Musikkorps, die auf eigentümlich gestalteten Instrumenten einen betäubenden Lärm verursachten, und einige Hofnarren, die, mit Fellen und Tierhörnern bekleidet, umherrannten, vollendeten die Umgebung des Kasembe, der, solchergestalt würdig vorbereitet, den Anmarsch der Portugiesen erwartete. Der Muata ist der absolute Herrscher über dieses Volk, dessen Titel einfach ,Herr‘ bedeutet. Unter ihm stehen zunächst die Kilolo oder der Adel, der wiederum in zwei Klassen zerfällt. Zu den vornehmsten Adligen gehören der Kronprinz, die nächsten Verwandten des Muata und der Höchstkommandierende der Kriegsmacht. Aber selbst über Leben und Eigentum dieser Adligen verfügt der Muata in unumschränkter Weise.

Ist dieser Tyrann übler Laune, so läßt er dem, der etwa einen Befehl nicht recht verstanden hat und nochmals fragt, sogleich die Ohren abschneiden, ,um ihn besser hören zu lehren‘. Jeder Diebstahl an seinem Eigentum wird mit Amputation der Ohren und Hände bestraft; wer mit irgendeinem seiner Weiber zusammenkommt oder mit ihr spricht, wird getötet oder an allen Gliedern verstümmelt. Der Herrscher steht bei dem abergläubischen Volke in solchem Ansehen, daß es glaubt, niemand könne ihn berühren, ohne durch seine Zaubermittel zu sterben. Da jedoch eine solche Berührung nicht immer zu vermeiden ist, so hat es ein Mittel gegen diesen Tod erfunden. Der, welcher den Herrn berührt hat, kniet vor ihm nieder, worauf dieser seine Handfläche in mysteriöser Weise an diejenige

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