Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 691

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Vorrechten des Adels, und eine wirkliche Ständedifferenzierung vollzieht sich in der Gesellschaft. Das typischste Bild ist das Griechenland der nach-homerischen Zeit.

So führt die Arbeitsteilung im Schoße der primitiven Gesellschaft früher oder später unvermeidlich zur Sprengung der politischen und ökonomischen Gleichheit von innen heraus. Ein Geschäft öffentlichen Charakters spielt aber eine ganz hervorragende Rolle in diesem Prozeß und vollzieht das Werk viel energischer als die öffentlichen Amter friedlichen Charakters: Es ist dies die Kriegführung. Zuerst Sache der Masse der Gesellschaft selbst, wird sie namentlich infolge der Fortschritte der Produktion mit der Zeit zur Spezialität gewisser Kreise der primitiven Gesellschaft. Je entwickelter, regelmäßiger und planmäßiger der Arbeitsprozeß der Gesellschaft, um so weniger verträgt er die Unregelmäßigkeiten und die Zeit- und Kraftvergeudung des Kriegslebens. Sind bei der Jagd und der nomadenhaften Viehzucht die Kriegszüge von Zeit zu Zeit direktes Ergebnis des Wirtschaftssystems, so ist der Ackerbau mit großer Friedlichkeit und Passivität der Masse der Gesellschaft verbunden, erfordert aber gerade deshalb häufig einen besonderen Stand von Kriegern zur Verteidigung. So oder anders spielt das Kriegsleben – selbst nur ein Ausdruck der engen Schranken der Produktivität der Arbeit – bei allen primitiven Völkern eine große Rolle und führt überall mit der Zeit zu einer neuen Art Arbeitsteilung. Die Ausscheidung eines Kriegsadels oder einer Kriegshäuptlingsschaft ist überall der stärkste Stoß, den die soziale Gleichheit der primitiven Gesellschaft auszuhalten hat. So kommt es, daß wir überall, wo wir noch historisch überlieferte oder gegenwärtig existierende primitive Gesellschaften kennenlernen, fast nirgends mehr jene Verhältnisse der Freien und Gleichen vorfinden, wie sie uns Morgan an einem glücklichen Beispiele bei den Irokesen schildern konnte. Im Gegenteil, überall Ungleichheit und Ausbeutung, das sind die Merkmale aller primitiven Gesellschaften, wie sie uns als Produkt einer langen Zersetzungsgeschichte entgegentreten, ob es sich um die herrschenden Kasten des Orients handelt oder um die Geschlechtsaristokratie der Jakuten, um die „Großen Clanmänner“ der schottischen. Kelten oder um den Kriegsadel der Griechen, Römer und der Germanen der Völkerwanderung oder endlich um die kleinen Despoten der afrikanischen Negerreiche. Betrachten wir zum Beispiel das berühmte Reich des Muata Kasembe in Zentralsüdafrika im Osten des Lundareiches, in das die Portugiesen zu Beginn des 19. Jahrhunderts gedrungen waren, so sehen wir hier, im Herzen Afrikas selbst, in einem von Europäern kaum betretenen Gebiet unter primitiven Negern

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