Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 685

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für zulässig erklärt. Zugleich aber wird die Ausscheidung aus der Markgenossenschaft an die Einwilligung der Gemeinde und an die Bedingung geknüpft, daß der Betreffende die auf ihn entfallende Ablösungsschuld im vollen Betrage tilgt.

Trotz all dieser künstlichen Gesetzesklammern, in die die Dorfgemeinde gepreßt war, trotz der Vormundschaft dreier Ministerien und eines Schwarms von Tschinowniks ließ sich die Auflösung nicht mehr aufhalten. Die erdrückende Steuerlast, der Verfall der bäuerlichen Wirtschaft infolge des landwirtschaftlichen und industriellen Nebenerwerbs, Mangel an Boden, namentlich an Weide und Wald, die schon bei der Ablösung meist von dem Adel an sich gerafft wurden, aber auch an brauchbarem Ackerland bei zunehmender Bevölkerung, das alles erzeugte zweierlei entscheidende Erscheinungen im Leben der Dorfgemeinde: Flucht in die Stadt und Aufkommen des Wuchers im Innern des Dorfes. In dem Maße, wie der Landteil mitsamt dem industriellen oder anderweitigen Nebenerwerb immer mehr doch nur dazu diente, die Steuern abzutragen, ohne sie je wirklich abtragen und ohne das notdürftige Leben fristen zu können, wurde die Zugehörigkeit zur Markgenossenschaft zu einer eisernen Fessel, zur Hungerkette am Halse des Bauern. Und dieser Kette zu entrinnen wurde das natürliche Ziel der Sehnsucht für ganze Massen der ärmeren Gemeindemitglieder. Hunderte Flüchtiger wurden als paßlose Vagabunden von der Polizei in ihre Gemeinde zurückgeliefert und hier von den Markgenossen exemplarisch auf der Bank mit Ruten gezüchtigt. Aber die Rute und der Paßzwang erwiesen sich als ohnmächtig gegen die Massenflucht der Bauern, die bei Nacht und Nebel aus der Hölle ihres „Dorfkommunismus“ in die Stadt flohen, um hier in dem Meer des Industrieproletariats definitiv unterzutauchen. Andere, denen die Familienbande oder sonstige Umstände die Flucht nicht ratsam machten, suchten auf legalem Wege den Austritt aus der Feldgemeinschaft zu bewerkstelligen. Dazu war aber die Tilgung der Ablösungsschuld erforderlich, und hier half – der Wucherer aus. Sowohl die Steuerlast selbst wie der durch die Steuerentrichtung erzwungene Verkauf des Korns zu schlechtesten Bedingungen lieferten den russischen Bauer sehr früh dem Wucherer aus. Jeder Notstand, jede Mißernte machten wieder die Zuflucht zum Wucherer unabweislich. Und schließlich die Befreiung selbst aus dem Joch der Gemeinde war für die meisten nicht anders erreichbar, als indem sie sich ins Joch des Wucherers begaben, dem sie sich auf unabsehbare Zeit dienst- und tributpflichtig machten. Während so die armen Bauern dem Markverband zu entrinnen suchten, um das Elend loszuwerden, kehrten ihm die reicheren

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