Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 672

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Aufwiegeln der Indianer gegen ihre Häuptlinge. Unter dem Vorwand der christlichen Absicht, die Eingeborenen vor der Ausbeutung durch ihre Häuptlinge zu schützen, erklärten sie jene frei von der Zahlung der von alters hergebrachten Abgaben an diese Häuptlinge. „Die Spanier“, sagt Zurita, „behaupten, gestützt darauf, was gegenwärtig in Mexiko vorgeht, daß die Häuptlinge ihre Stämme ausplündern, aber sie tragen selbst die Verantwortung für diese Erpressungen, denn sie selbst und niemand anders haben die früheren Häuptlinge ihrer Stellung und ihrer Einkünfte beraubt und sie durch neue aus der Zahl der Kreaturen ersetzt.“[1] Desgleichen suchten sie Meutereien anzuzetteln, wenn die Dorfvorsteher oder Stammeshäuptlinge gegen rechtswidrige Landveräußerungen einzelner Markmitglieder an die Spanier protestierten. Chronische Revolten und eine unendliche Kette von Prozessen um unberechtigte Landverkäufe unter den Eingeborenen selbst waren das Ergebnis. Zu Ruin, Hunger und Sklaverei trat noch Anarchie hinzu, um die Hölle im Dasein der Indianer vollkommen zu machen. Das nackte Fazit dieser spanisch-christlichen Vormundschaft ließ sich in zwei Worte schließen: Übergang des Grund und Bodens in die Hände der Spanier und Aussterben der Indianer. „In allen spanischen Gebieten in Indien“, sagt Zurita, „verschwinden die eingeborenen Stämme entweder ganz, oder sie werden wenig zahlreich, obwohl einige Personen sich entschließen, das Gegenteil zu behaupten. Die Eingeborenen verlassen ihre Wohnungen und Ländereien, die für sie den Wert verloren haben angesichts der maßlosen Natural- und Geldabgaben; sie ziehen in andere Länder aus, beständig aus einer Gegend in die andere streifend, oder verstecken sich in den Wäldern unter der Gefahr, früher oder später Opfer wilder Tiere zu werden. Viele beschließen ihr Leben durch Selbstmord, wie ich selbst mehrmals Gelegenheit hatte, mich zu überzeugen durch persönliche Beobachtung und durch Umfrage bei den örtlichen Bewohnern.“[2] Und ein halbes Jahrhundert später berichtet ein anderer hoher Beamter der spanischen Regierung in Peru, Juan Ortez de Cervantes: „Die eingeborene Bevölkerung in den spanischen Kolonien wird immer dünner und dünner, sie verläßt ihre bisherigen Wohnstätten, läßt den Boden unbebaut, so daß die Spanier nur mit Mühe die notwendige Zahl der Ackerbauer und Hirten finden können. Die sogenannten Mitayos, ein Stamm, ohne den die Bearbeitung der Gold- und Silberbergwerke unmöglich ist, verlassen entweder ganz die von Spaniern bewohnten

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[1] Zurita, S. 87, zit. bei: [Maxim] Kowalewski: [Obstschinnoje semlewladenije, pritschini, chod i podaledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879], S. 69. – [Fußnote im Original]

[2] Zurita, S. 341 [zit. bei: [Maxim] Kowalewski: Obstschinnoje semlewladenije, pritschini, chod i podaledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879, S. 60]. – [Fußnote im Original]