Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 670

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Vermögen nicht mal einen Peso ausmacht und die von täglicher Lohnarbeit leben; auf diese Weise verbleiben den Unglücklichen nicht einmal genügend Mittel, um die Familie zu erhalten. Dies ist der Grund, weshalb sooft junge Leute den unehelichen Verkehr dem ehelichen vorziehen, besonders wenn ihre Eltern nicht einmal über vier oder fünf Real verfügen. Die Indianer können sich nur schwer den Luxus einer Bekleidung gestatten; viele, die keine Mittel haben, um sich ein Kleid zu kaufen, sind nicht in der Lage, den Gottesdienst zu besuchen. Kein Wunder, daß die Mehrzahl von ihnen in Verzweiflung gerät, da sie keine Mittel finden, ihren Familien die nötige Nahrung zu verschaffen ... Während meiner jüngsten Reisen erfuhr ich, daß viele Indianer sich vor Verzweiflung erhängt haben, nachdem sie ihren Frauen und Kindern erklärt hatten, sie täten dies angesichts der Unmöglichkeit, die von ihnen geforderten Steuern zu entrichten.“[1]

Endlich kam zur Ergänzung des Landdiebstahls und des Steuerdruckes die Zwangsarbeit. Anfangs des 17. Jahrhunderts kehren die Spanier offen zu dem im 16. Jahrhundert formell aufgegebenen System zurück. Zwar ist die Sklaverei für die Indianer abgeschafft, aber an ihre Stelle tritt ein eigentümliches System der Zwangslohnarbeit, das sich im Wesen fast durch nichts von jener unterscheidet. Schon um die Mitte des 16. Jahrhunderts schildert uns Zurita folgendermaßen die Lage der indianischen Lohnarbeiter bei den Spaniern: „Die Indianer kriegen in dieser ganzen Zeit keine anderen Nahrungsmittel als Maisbrote ... Der Encomendor läßt sie vom Morgen bis in die Nacht arbeiten, wobei er sie im Morgen- und Abendfrost, unter Sturm und Gewitter nackt läßt, ohne ihnen eine andere Nahrung zu geben als halbverfaulte Brote ... Die Indianer verbringen die Nacht unter freiem Himmel. Da der Lohn erst am Ende der Periode der Zwangsarbeit ausgezahlt wird, so haben die Indianer keine Mittel, um sich die nötige warme Kleidung zu kaufen. Kein Wunder, daß unter solchen Umständen bei den Encomenderos die Arbeit für sie äußerst ermüdend ist und als eine der Ursachen ihres raschen Aussterbens erkannt werden kann.“[2] Dieses System der Zwangslohnarbeit wurde nun anfangs des 17. Jahrhunderts von der spanischen Krone offiziell und allgemein gesetzlich eingeführt. Als Grund gibt das Gesetz an, daß die Indianer freiwillig nicht arbeiten wollten, ohne sie aber die Bergwerke selbst bei der vorhandenen Zahl der Neger nur äußerst schwer betrieben werden könn-

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[1] Zurita, S. 329, zit. nach: [Maxim] Kowalewski: [Obstschinnoje semlewladenije, pritschini, chod i podaledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879], S. 62 f. – [Fußnote im Original]

[2] Zurita, S. 295, zit. nach: [Maxim] Kowalewski[: Obstschinnoje semlewladenije, pritsdiiny, chod I podsledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879], S. 65. – [Fußnote im Original]