Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 668

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gegen die Sklaverei, wovon die wiederholten Dekrete mehr die Fruchtlosigkeit als die Aufrichtigkeit dieser Bestrebungen bezeugen.

Was die Indianer von der Sklaverei befreite, war nicht die fromme Aktion der katholischen Geistlichkeit oder die Proteste der spanischen Könige, sondern die einfache Tatsache, daß die Indianer ihrer physischen und geistigen Konstitution nach zur schweren Sklavenarbeit absolut nicht taugten. Gegen diese nackte Unmöglichkeit halfen auf die Dauer die größten Grausamkeiten der Spanier nicht; die Rothäute fielen in der Sklaverei wie die Fliegen, entflohen, entleibten sich, kurz – das Geschäft wurde höchst unrentabel. Und erst als der warme und unermüdliche Verteidiger der Indianer, Bischof Las Casas, die Idee erfand, anstatt der untauglichen Indianer die robusteren Neger aus Afrika als Sklaven zu importieren, wurden die unnützen Experimente mit den Indianern zunächst eingestellt. Diese praktische Erfindung hat rascher und durchgreifender gewirkt als alle Pamphlete Las Casas’ über die Grausamkeiten der Spanier. Die Indianer wurden nach einigen Jahrzehnten von der Sklaverei befreit, und die Sklaverei der Neger hub an, die von nun an vier Jahrhunderte dauern sollte. Zu Ende des 18. Jahrhunderts führte ein biederer Deutscher, der „brave alte Nettelbeck“ aus Kolberg, als Schiffskapitän auf seinem Schiffe von Guinea nach Guayana in Südamerika, wo andere „brave Ostpreußen“ Plantagen ausbeuteten, Hunderte von Negersklaven, die er nebst anderen Waren in Afrika eingehandelt hatte und die er genauso im unteren Schiffsraum eingepfercht hielt wie die spanischen Kapitäne des 16. Jahrhunderts. Der Fortschritt des humanen Aufklärungszeitalters zeigte sich darin, daß Nettelbeck seine Sklaven zur Verhütung der Schwermut und des Aussterbens unter ihnen jeden Abend auf dem Schiffsdeck unter Musik und Peitschenknall tanzen ließ, worauf die rohen spanischen Sklavenhändler noch nicht verfallen waren. Und Ende des 19. Jahrhunderts, 1871, schrieb der edle David Livingstone, der 30 Jahre in Afrika verbracht hatte, um die Nilquellen aufzufinden, in seinem berühmten Briefe an den Amerikaner Gordon Bennett: „Sollten meine Enthüllungen über die Verhältnisse in Udjidji dem entsetzlichen Sklavenhandel in Ostafrika ein Ende machen, so würde ich diese Errungenschaft höher erachten als die Entdeckungen aller Nilquellen miteinander. Bei Ihnen zu Hause ist die Sklaverei überall abgeschafft, reichen Sie uns Ihre mächtige hilfreiche Hand, auch das noch zu erreichen. Dieses schöne Land ist wie mit Mehltau oder mit dem Fluche des Höchsten belastet.“[1]

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[1] Siehe Horace Waller: Letzte Reise von David Livingstone in Centralafrika von 1865 bis zu seinem Tode 1873, Zweiter Band, Hamburg 1875, S. 189, S. 209 u. S. 219.