Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 667

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grauenhaften Schicksal zu entrinnen, nicht bloß ihr eigenes Leben gewaltsam beenden, sei es durch Erhängen, Ersäufen oder sonstwie, sondern vorher auch ihre Frauen und Kinder töten, um so auf einmal ihrer gemeinsamen unglücklichen und ausweglosen Lage ein Ende zu machen. Andererseits nehmen die Frauen zur Abtreibung ihrer Kinder im Mutterleibe Zuflucht oder vermeiden den Verkehr mit Männern, da sie keine Sklaven gebären wollen.“[1]

Endlich gelang es den Kolonisten durch die Vermittlung des kaiserlichen Beichtvaters, des frommen Paters Garzia de Loyosa, von dem Habsburger Karl V. ein Dekret zu erwirken[2], das die Indianer summarisch zu erblichen Sklaven der spanischen Kolonisten erklärte. Benzoni meint zwar, das Dekret habe sich nur auf die karaibischen Menschenfresser bezogen, es war aber ausgelegt und angewendet auf alle Indianer überhaupt. Um ihre Greuel zu rechtfertigen, verbreiteten nämlich die spanischen Kolonisten planmäßig die größten Schauermären über die Menschenfresserei und die sonstigen Laster der Indianer, so daß zum Beispiel ein zeitgenössischer französischer Historiker, Marly de Châtel, in seiner „Allgemeinen Geschichte Westindiens“ (Paris 1569) von ihnen schreiben konnte: „Der Gott hat sie mit Sklaverei bestraft, für ihre Bosheit und ihre Laster, denn selbst Ham[3] hat sich nicht in diesem Maße gegen seinen Vater Noah versündigt wie die Indianer gegen den Herrgott.“[4] Und doch schrieb ungefähr um dieselbe Zeit ein Spanier, Acosta, in seiner „Historia natural y moral de las Indias“ (Barcelona 1591) über dieselben Indianer, sie seien ein „gutmütiges Volk, das stets bereit sei, den Europäern eine Gefälligkeit zu erweisen, ein Volk, das in seinem Benehmen eine so rührende Harmlosigkeit und Aufrichtigkeit zeige, daß Leute, die nicht ganz von allen Eigenschaften der menschlichen Natur entblößt seien, sie unmöglich anders als mit Zärtlichkeit und Liebe behandeln könnten“[5].

Freilich gab es auch Versuche, den Greueln entgegenzuwirken. Im Jahre 1531 erließ Papst Paul III. eine Bulle, in der er die Indianer als zur Menschengattung gehörig und deshalb von der Sklaverei frei erklärte. Auch der spanische kaiserliche Rat für Westindien erklärte sich später

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[1] Acosta: Historia natural y moral de las Indias, Barcelona 1591, zit. bei: [Maxim] Kowalewski: [Obstschinnoje semlewladenije, pritschini, chod i podaledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879], S. 52. – [Fußnote im Original]

[2] Das Dekret wurde 1525 von Karl V. in Madrid erlassen.

[3] R. L. verwandte im Manuskript die hebräische Bezeichnung für Ham = Cham.

[4] Zit. nach: Maxim Kowalewski: Obstschinnoje semlewladenije, pritschini, chod i podaledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879, S. 49.

[5] Zit. nach: Ebenda.