Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 666

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unglücklichen Wesen zu sehen, ganz nackt, ermüdet, verwundet und so durch den Hunger erschöpft, daß sie kaum auf den Füßen stehen konnten. Eiserne Ketten fesselten ihren Hals, Hände und Füße. Es gab nicht eine Jungfrau unter ihnen, die nicht vergewaltigt wäre durch diese Räuber (Spanier), die sich in diesem Fall einer so ekelerregenden Ausschweifung hingaben, daß viele von ihnen für immer ganz von Syphilis zerfressen blieben ... Alle in Sklaverei getanen Eingeborenen werden mit glühendem Eisen gezeichnet. Darauf lassen die Kapitäne einen Teil für sich, die übrigen verteilen sie unter die Soldaten. Diese verspielen sie entweder aneinander oder verkaufen sie an die spanischen Kolonisten. Kaufleute, die diese Ware gegen Wein, Mehl, Zucker und andere tägliche Bedürfnisse eingetauscht haben, transportieren die Sklaven in jene Teile der spanischen Kolonien, wo die größte Nachfrage nach ihnen besteht. Während des Transports geht ein Teil dieser Unglücklichen zugrunde infolge des Mangels an Wasser und der schlechten Luft in den Kajüten, was daher kommt, weil die Kaufleute alle Sklaven in dem untersten Schiffsraume zusammenpferchen, ohne ihnen genügend Platz zum Sitzen noch Luft zum Atmen zu lassen.“[1] Um sich jedoch selbst der Mühe der Jagd auf die Rothäute und der Kasten ihrer käuflichen Erwerbung zu entheben, führten die Spanier in ihren westindischen Besitzungen und auf dem amerikanischen Festlande das System der sogenannten Repartimientos, das heißt der Aufteilung des Landes, ein. Das ganze eroberte Gebiet wurde von den Gouverneuren in Gehege eingeteilt, deren Dorfvorsteher, „Kaziken“, einfach verpflichtet waren, die von ihnen geforderte Anzahl der Eingeborenen als Sklaven selbst an die Spanier zu liefern. Jeder spanische Kolonist erhielt periodisch vom Gouverneur eine beliebige Zahl von Sklaven geliefert, unter der Bedingung, „für ihre Bekehrung zum Christentum Sorge zu tragen“[2]. Die Mißhandlung der Sklaven durch die Kolonisten überstieg alle Begriffe. Selbstmord wurde zur Erlösung für die Indianer. „Alle von den Spaniern gefangengenommenen Eingeborenen“, sagt ein Zeitgenosse, „werden von ihnen zu ermüdenden und anstrengenden Arbeiten in den Bergwerken gezwungen, fern von der Heimat und Familie und. unter Drohung ständiger körperlicher Züchtigungen. Kein Wunder, daß ganze Tausende von Sklaven, die keine anderen Möglichkeiten sehen, ihrem

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[1] Girolamo Benzoni: Storia del mundo nuovo, Venezia 1565, zit. bei: [Maxim] Kowalewski: [Obstschinnoje semlewladenije, pritschini, chod i podaledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879], S. 51 f. – [Fußnote im Original]

[2] Charleroix: Histoire de l'Isle Espagnole ou de St. Dominique, Paris 1730, Teil I, S. 228, zit. bei: [Maxim] Kowalewski: [Obstschinnoje semlewladenije, pritschini, chod i podaledstwija jego rasloshenije, Teil 1, Moskau 1879], S. 50. – Im Original mit **