Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 663

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tungsverhältnisse betrachtet werden, die sich nur dank der verhältnismäßig primitiven Kulturstufe und der Weltabgeschiedenheit des Landes jahrhundertelang konservieren konnte. Auf ein vorgerücktes Stadium weisen die Überlieferungen Kretas hin, wo die unterworfene Bauerngemeinde den ganzen Ertrag ihrer Arbeit abzüglich ihres Unterhalts abliefern mußte, wo sich also die herrschende Gemeinde nicht aus eigener Feldarbeit, sondern aus den Abgaben der ausgebeuteten Markgenossenschaft erhielt, diese aber noch unter sich kommunistisch verzehrte. In Sparta finden wir – einen Schritt weiter in der Entwicklung –, daß der Grund und Boden nicht mehr als Eigentum der unterworfenen Gemeinde, sondern als Eigentum der Herrschenden gilt und unter ihnen in markgenossenschaftlicher Weise umgeteilt und verlost wird. Die gesellschaftliche Organisation der Unterworfenen ist durch den Verlust ihrer Basis, des Eigentumsrechtes am Grund und Boden, gesprengt, sie sind selbst Eigentum der herrschenden Gemeinde, die sie kommunistisch, „von Staats wegen“, gleich den Ackerlosen an die einzelnen Markgenossen als Arbeitskraft überläßt. Die herrschenden Spartaner leben selbst noch in streng markgenossenschaftlichen Verhältnissen. Und ähnliche Verhältnisse dürften in dieser oder jener Abstufung in Thessalien geherrscht haben, wo die früheren Bewohner, die Penesten oder „arme Leute“, von Aoliern unterworfen wurden, in Bithymen, wo die Mariandyner von thrakischen Stämmen in eine ähnliche Lage gebracht wurden. Doch führt das parasitäre Dasein unaufhaltsam dazu, auch in die herrschende Gemeinde den Keim der Zersetzung zu tragen. Schon die Eroberung und die Notwendigkeit, die Ausbeutung als ständige Einrichtung zu festigen, führt zur starken Ausbildung des Kriegswesens, was wir sowohl im Inkastaat wie in den spartanischen Staaten sehen. Damit ist die erste Grundlage zur Ungleichheit, zur Ausbildung bevorrechteter Stände im Schoße der ursprünglich freien und gleichen Bauernmasse gelegt. Es bedarf dann nur günstiger geographisch-kulturhistorischer Umstände, die durch den Zusammenstoß mit höher gebildeten Völkern verfeinerte Lebensbedürfnisse und lebhaften Austausch wecken, damit die Ungleichheit auch innerhalb der Herrschenden rasche Fortschritte macht, den kommunistischen Zusammenhalt schwächt, dem Privateigentum mit seiner Spaltung in Reiche und Arme Platz macht. Ein klassisches Beispiel dieser Vorgänge bleibt die früheste Geschichte der griechischen Welt nach ihrem Zusammenstoß mit den alten Kulturvölkern des Orients. So ist das Ergebnis der Unterwerfung einer urkommunistischen Gesellschaft durch eine andere, ob früher oder später, stets dasselbe: die Sprengung der kommunistischen traditionellen Gesellschaftsbande bei den Herrschern

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