Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 657

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der Wählbarkeit zur Erblichkeit übergegangen war, erhielten den größten Losanteil. In Nordperu bebaute nicht jeder Familienvater seinen Ackeranteil einzeln, sondern sie arbeiteten in Zehnerschaften unter Leitung eines Führers – eine Einrichtung, auf die bestimmte Tatsachen auch bei den alten Germanen hinweisen. Die Zehnerschaft bestellte nach der Reihe die Anteile aller Mitglieder, auch der abwesenden, die den Kriegsdienst oder den Frondienst für die Inkas leisteten. Jede Familie bekam die Früchte, die auf ihrem Anteil gewachsen waren. Auf ein Ackerlos hatte nur Anspruch, wer in der Mark wohnte und dem Geschlecht angehörte. Jedermann war jedoch verpflichtet, seinen Anteil auch selbst zu bebauen. Wer ihn eine Reihe von Jahren (in Mexiko drei Jahre) unbebaut ließ, verlor sein Anrecht auf den Anteil. Die Anteile durften nicht verkauft oder verschenkt werden. Streng verboten war es, die eigene Mark zu verlassen und sich in einer fremden anzusiedeln, was wohl mit den starken Blutsbanden der Dorfsippen zusammenhing. Der Ackerbau in den Küstengegenden, wo nur periodisch Regen fällt, erforderte seit jeher künstliche Bewässerung durch Kanäle, die durch gemeinschaftliche Arbeit der ganzen Mark erbaut wurden. Über den Gebrauch des Wassers und seine Verteilung unter einzelne Dörfer und innerhalb derselben bestanden strenge Regeln. Jedes Dorf hatte auch „Armenfelder“, die von sämtlichen Markgenossen bebaut wurden und deren Ernte die Dorfvorsteher unter die Altersschwachen, Witwen und sonstige Bedürftige verteilten. Alles übrige Gebiet außer Ackerfeldern war Marcapacha = Allmende. Im gebirgigen Teil des Landes, wo der Feldbau nicht gedieh, war bescheidene Viehzucht, deren fast einzigen Gegenstand die Lamas bildeten, die Grundlage der Existenz der Bewohner, die von Zeit zu Zeit ihr Hauptprodukt – Wolle – ins Tal trugen, um dafür von den Ackerbauern Mais, Pfeffer und Bohnen einzutauschen. Hier im Gebirge gab es schon zur Zeit der Eroberung Privatherden und bedeutende Vermögensunterschiede. Ein gemeiner Markgenosse besaß wohl 3–10 Lamas, ein Oberhäuptling mochte ihrer 50 bis 100 haben. Allein der Boden, Wald und Weide war auch hier Gemeineigentum, und außer privaten Herden gab es Dorfherden, die nicht verteilt werden durften. Zu bestimmten Zeiten wurde ein Teil der Gemeindeherde geschlachtet und Fleisch und Wolle unter die Familien verteilt. Besondere Handwerker gab es nicht, jede Familie verfertigte alles Nötige im Haushalte, doch gab es Dörfer, die sich besonders in irgendeinem Handwerk, als Weber, Töpfer oder Metallarbeiter, geschickt erwiesen. An der Spitze jedes Dorfes stand ursprünglich der gewählte, dann erbliche Dorfvorsteher, der die Aufsicht über den Feldbau führte, in jeder wichti-

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