Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 650

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die Wirtschaftsepochen anlegt. Ob der Kaufmann schon auf der Welt ist oder nicht, ob er mit dem Produzenten eine und dieselbe Person oder eine besondere Person darstellt – das ist das Haupt- und Grundproblem der Wirtschaftsgeschichte. Schenken wir dem Professor in diesem Augenblick seine „tauschlose Wirtschaft“, die nichts anderes ist als ein professorales Hirngespinst, das nirgends auf der platten Erde noch entdeckt wurde und in Anwendung auf das antike Griechenland und Rom wie auf das feudale Mittelalter seit dem 10. Jahrhundert eine historische Phantasie von verblüffender Kühnheit darstellt. Aber als Maßstab der Produktionsentwicklung überhaupt nicht Produktionsverhältnisse, sondern Austauschverhältnisse, den Kaufmann als Mittelpunkt des Wirtschaftssystems und Maß aller Dinge zu nehmen, wo er noch gar nicht existiert – welche glänzenden Resultate der „begrifflichen Zergliederung, der psychologisch-isolierenden Deduktion“ und vor allem, welches „Eindringen in das Wesen der Dinge“, das jedes „An-der-Oberfläche-Haften“ verschmäht! Ist da nicht das alte anspruchslose Schema der „historischen Schule“: die Einteilung der Wirtschaftsgeschichte in drei Epochen der „Naturalwirtschaft, Geldwirtschaft und Kreditwirtschaft“ viel besser und näher der Wahrheit als das prätentiöse Eigenfabrikat Professor Büchers, der erst über alle „älteren derartigen Versuche“ die Nase rümpft, um hinterdrein genau dasselbe abgekanzelte „Haften an der Oberfläche“ des Austausches zum Grundgedanken zu nehmen und ihn nur durch sein pedantisches Ausspinnen in ein völlig schiefes Schema zu verzerren?

Das „Haften an der Oberfläche“ der Wirtschaftsgeschichte ist eben kein Zufall bei der bürgerlichen Wissenschaft. Die einen von den bürgerlichen Gelehrten, wie Friedrich List, machen Einteilungen nach der äußeren Natur der wichtigsten Nahrungsquelle und stellen Epochen der Jägerei, der Viehzucht, des Ackerbaues und des Gewerbes auf – Einteilungen, die nicht einmal für eine äußere Kulturgeschichte ausreichen. Andere, wie Professor Hildebrand, teilen nach der äußeren Form des Austausches die Wirtschaftsgeschichte in Natural-, Geld- und Kreditwirtschaft ein oder, wie Bücher, in tauschlose Wirtschaft, in eine solche mit direktem Austausch und eine dritte mit Warenumlauf. Noch andere, wie Grosse, nehmen zum Ausgangspunkt bei der Beurteilung der Wirtschaftsform die Verteilung der Güter. Mit einem Wort, die Gelehrten der Bourgeoisie schieben in den Vordergrund der geschichtlichen Betrachtung Austausch, Verteilung, Konsumtion – alles, nur nicht die gesellschaftliche Form der Produktion, das heißt dasjenige, was gerade in jeder historischen Epoche ausschlaggebend ist und woraus sich Austausch und seine Formen, Verteilung und Konsum-

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