Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 649

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Schwelle der Neuzeit, findet sich umfaßt als eine „Stufe“ der Produktion, der als zweite Stufe die mittelalterliche europäische Zunftstadt und als dritte – die heutige kapitalistische Wirtschaft entgegengestellt wird. In der Wirtschaftsgeschichte Professor Büchers rangieren also die kommunistische Dorfgemeinde, die irgendwo im Gebirgstal des Fünfstromlandes in Indien ihr stilles Dasein fristet, das Hauswesen des Perikles in der Glanzzeit der athenischen Kulturblüte und der feudale Hof des Bischofs von Bamberg im Mittelalter als eine und dieselbe „Wirtschaftsstufe“. Aber jedes Kind, das einige oberflächliche Kenntnisse aus den Schulbüchern der Geschichte sein eigen nennt, muß begreifen, daß hier Verhältnisse unter einen Hut gebracht worden sind, die grundverschieden waren. Dort in den kommunistischen Agrargemeinden allgemeine Gleichheit der Bauernmasse im Besitz und Recht, keine Ständeunterschiede oder höchstens in keimartigem Zustand – hier im antiken Griechenland und Rom ebenso wie im feudalen mittelalterlichen Europa schroffste Ausbildung von Ständen in der Gesellschaft, Freie und Sklaven, Herren und Leibeigene, Bevorrechtete und Rechtlose, Reichtum und Armut oder Elend. Dort allgemeine Arbeitspflicht, hier gerade ein Gegensatz zwischen geknechteter Masse der Arbeitenden und der herrschenden Minderheit von Nichtarbeitenden. Und wiederum zwischen der antiken Sklavenwirtschaft der Griechen oder Römer und der mittelalterlichen Feudalwirtschaft bestand ein so gewaltiger Unterschied, daß die antike Sklaverei letzten Endes den Untergang der griechisch-römischen Kultur hervorgebracht hat, während der mittelalterliche Feudalismus das städtische Zunfthandwerk mit dem städtischen Handel und auf diesem Wege in letzter Linie den heutigen Kapitalismus aus seinem Schoße erzeugt hat. Wer also alle diese so himmelweiten ökonomischen und sozialen Formen und historischen Epochen unter einen Begriff, unter ein Schema bringt, muß einen gar originellen Maßstab an die Wirtschaftsepochen anlegen. Welchen Maßstab Professor Bücher anwendet, um die Nacht seiner „geschlossenen Hauswirtschaft“ zu schaffen, in der alle Katzen grau sind, setzt er uns selbst auseinander, indem er in liebenswürdigster Weise in Klammern unserer Begriffsstutzigkeit zu Hilfe kommt. „Tauschlose Wirtschaft“ heißt jene von dem Beginn der geschriebenen Geschichte bis zur Neuzeit sich erstreckende erste „Stufe“, der die mittelalterliche Stadt als „Stufe des direkten Austausches” und das heutige Wirtschaftssystem als „Stufe des Güterumlaufs“ angereiht werden. Also Nichtaustausch, einfacher Austausch oder komplizierter Austausch – mit etwas gewöhnlicheren Worten: Fehlen des Handels, einfacher Handel, entwickelter Welthandel –, das ist der Maßstab, den Professor Bücher an

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