Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 645

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als Produktionsmittel zu verkaufen – haben wir eine kommunistische Produktionsform oder kleinbäuerliche und handwerksmäßige oder eine Sklavenwirtschaft oder auf Hörigkeit beruhende Fronwirtschaft oder endlich kapitalistische Wirtschaft mit Lohnsystem. Und jede dieser Wirtschaftsformen hat ihre eigentümliche Art der Arbeitsteilung, der Verteilung der Produkte, des Austausches, des sozialen, rechtlichen und geistigen Lebens. Es genügte in der Wirtschaftsgeschichte der Menschen, daß sich das Verhältnis zwischen Arbeitenden und den Produktionsmittel radikal veränderte, damit jedesmal auch alle anderen Seiten des wirtschaftlichen, politischen und geistigen Lebens sich radikal veränderten, damit eine ganz neue Gesellschaft entsteht. Es besteht freilich zwischen allen diesen Seiten des ökonomischen Lebens der Gesellschaft eine fortwährende Wechselwirkung. Nicht bloß das Verhältnis der Arbeitskraft zu den Produktionsmitteln beeinflußt die Arbeitsteilung, die Verteilung der Produkte, den Austausch, sondern auch diese wirken ihrerseits auf jenes Produktionsverhältnis zurück. Aber die Art der Einwirkung ist eine verschiedene. Die auf jeder Wirtschaftsstufe vorherrschende Art der Arbeitsteilung, der Verteilung der Reichtümer, namentlich der Austausch, mögen das Verhältnis zwischen der Arbeitskraft und den Produktionsmitteln, aus denen sie selbst erwachsen sind, nach und nach unterwühlen. Ihre Form wird erst dann verändert, wenn in dem veraltet gewordenen Verhältnis zwischen Arbeitskraft und Produktionsmitteln eine radikale Umwälzung, eine förmliche Revolution stattgefunden hat. So bilden die jeweiligen Umwälzungen in dem Verhältnis von Arbeitskraft und Produktionsmitteln die sichtbaren großen Meilensteine auf dem Wege der Wirtschaftsgeschichte, sie geben die natürlichen Epochen in dem ökonomischen Werdegang der menschlichen Gesellschaft ab.

Wie wichtig es für das Verständnis der Wirtschaftsgeschichte ist, sich über das Wesentliche dieser Geschichte klarzuwerden, es vom Unwesentlichen zu unterscheiden, zeigt eine Prüfung derjenigen Einteilung der Wirtschaftsgeschichte, die heute die gangbarste und gefeiertste in der bürgerlichen Nationalökonomie in Deutschland ist. Wir meinen die Einteilung des Professors Bücher. In seiner „Entstehung der Volkswirtschaft“ setzt Professor Bücher auseinander, wie wichtig eine richtige Einteilung der Wirtschaftsgeschichte in Epochen für ihr Verständnis ist. Seiner Gepflogenheit gemäß tritt er aber nicht einfach an die Frage heran, um uns das Werk seiner rationellen Untersuchungen vorzuführen, sondern bereitet uns erst auf die richtige Würdigung seines Werkes vor, indem er sich über die Unzulänglichkeit aller seiner Vorgänger mit breiter Behaglichkeit ausläßt.

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