Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 638

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ihnen verbracht hat und zu einer genaueren Kenntnis von ihnen gelangt ist als irgendein anderer Europäer, folgendes:

Die Mincopie zerfallen in neun Stämme, jeder Stamm in eine größere Anzahl kleiner Gruppen zu 30–50, manchmal aber auch 300 Personen. Jede solche Gruppe hat ihren Vorsteher, auch der ganze Stamm hat einen Häuptling, der über denjenigen der einzelnen Gemeinschaften steht. Doch seine Autorität ist sehr beschränkt; sie besteht hauptsächlich in der Veranstaltung von Versammlungen sämtlicher Gemeinschaften, welche zu seinem Stamme gehören. Er ist der Anführer bei der Jagd, beim Fischfang und auf den Wanderungen, er schlichtet auch die Zwistigkeiten. Innerhalb jeder Gemeinschaft besteht gemeinsame Arbeit, und zwar mit Arbeitsteilung unter Männern und Frauen. Den Männern liegen die Jagd, der Fischfang, die Beschaffung von Honig, Herstellung der Kähne, der Bogen, Pfeile und anderer Gerätschaften ob, die Weiber schaffen Holz und Wasser herbei sowie pflanzliche Nahrung, stellen Schmucksachen her, kochen. Es ist die Pflicht all jener Männer und Weiber, die zu Hause bleiben, Kinder, Kranke und Greise zu pflegen und das Feuer in den verschiedenen Hütten zu unterhalten; jedermann, der arbeitsfähig ist, ist verpflichtet, für sich und die Gemeinschaft zu arbeiten, auch ist es üblich, dafür zu sorgen, daß ständig ein Nahrungsvorrat da ist, um etwa einkehrende Fremde damit zu bewirten. Die kleinen Kinder, die Schwachen und die Greise sind spezielle Gegenstände allgemeiner Fürsorge, und es ergeht ihnen in bezug auf die Befriedigung ihrer täglichen Bedürfnisse noch besser als den übrigen Mitgliedern der Gesellschaft.

Über die Nahrungsaufnahme bestehen bestimmte Regeln. Ein verheirateter Mann darf nur mit anderen Ehemännern oder Junggesellen zusammen essen, jedoch niemals mit anderen Frauen als mit denen seines eigenen Haushalts, es sei denn, daß er bereits vorgeschrittenen Alters ist. Die unverheirateten Leute haben ihre Mahlzeiten gesondert – Jünglinge für sich, Mädchen für sich – einzunehmen.

Die Zubereitung der Speisen ist gewöhnlich Pflicht der Weiber, die sie während der Abwesenheit der Männer zu besorgen pflegen. Sind sie jedoch durch die Herbeischaffung von Holz und Wasser außergewöhnlich in Anspruch genommen, wie an Festtagen oder nach einer besonders ausgiebigen Jagd, so besorgt das Kochen einer der Männer, der, wenn das Mahl zur Hälfte fertig ist, dasselbe unter die Anwesenden verteilt und ihnen die weitere Zubereitung, die an ihren eigenen Feuerplätzen zu geschehen hat, überläßt. Ist der Häuptling zugegen, so erhält er den ersten, und zwar den Löwenanteil, dann kommen die Männer und nachher die

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