Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 635

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nehmung „zum mindesten halbzeremoniellen Charakters“. Pelikanjagden dürfen nur in bestimmten Zeiten stattfinden, und zwar so, daß während der Brutzeit die Vögel geschont werden, damit ihr Nachwuchs gesichert wird. „Der Schlächterei (das massenhafte Erschlagen der schwerfälligen Tiere bietet keine Schwierigkeiten – R. L.) folgt ein großes Fressen, bei welchem die halbverhungerten Familien die weicheren Teile im Dunkeln verschlingen und lärmend zechen, bis sie der Schlaf überkommt. Am nächsten Tage suchen die Weiber die Leichname aus, deren Gefieder am wenigsten verletzt ist, und ziehen die Bälge sorgfältig ab.“[1] Das Fest dauert mehrere Tage, und verschiedene Zeremonien sind damit verbunden. Jenes „große Fressen“ also, jenes „Verschlingen im Dunkeln“ und dazu mit Lärm, das Professor Bücher sicher als ein Zeichen rein tierischen Gebarens festnageln würde, ist in Wirklichkeit – gerade der zeremonielle Charakter bürgt uns dafür genügend – sehr wohl organisiert. Mit der Planmäßigkeit der Jagd ist nämlich strenge Regelung der Verteilung und der Konsumtion verbunden. Das gemeinsame Essen und Trinken geht in bestimmter Reihenfolge vor sich: Zuerst kommt der Häuptling (zugleich Leiter der Jagd), dann die übrigen Krieger in einer durch das Alter bestimmten Reihe, dann kommt die älteste Frau und nach ihr ihre Töchter nach dem Alter an die Reihe, endlich die Kinder in der Reihenfolge des Alters, wobei die Mädchen, namentlich wenn sie sich der Mannbarkeit nähern, durch die Nachsicht der Weiber gewisse Vorteile genießen. „Jedes Mitglied der Familie oder des Clans kann auf die notwendige Nahrung und Bekleidung Anspruch erheben, und es ist Sache jeder anderen Person, darauf zu sehen, daß dieser Bedarf gedeckt werde. Der Grad dieser Pflicht richtet sich teils nach der Nachbarschaft, so daß dieselbe ... bei der nächsten Person beginnt, hauptsächlich aber sind der Rang und die Verantwortlichkeit in der Gruppe (gewöhnlich Äquivalente des Alters) maßgebend. Es ist die Pflicht der ersten Person bei einem Mahle, dafür zu sorgen, daß für die unter ihr Stehenden genügend übrigbleibe, und diese Pflicht steigt dann in der Weise abwärts, daß selbst für die Interessen der hilflosen Kinder gesorgt ist.“[2]

Aus Südamerika besitzen wir das Zeugnis Professor von den Steinens über den wilden Indianerstamm der Bororó in Brasilien. Auch hier herrscht vor allem die typische Arbeitsteilung: Die Frauen beschaffen pflanzliche Nahrung, suchen Wurzeln mit einem spitzen Stock, klettern mit

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[1] Zit. nach: Felix Somló: [Der Güterverkehr in der Urgesellsellschaft, Brüssel, Leipzig, Paris 1909], S. 124 f.

[2] MacGee, zit. nach: [Felix] Somló: [Der Güterverkehr in der Urgesellsellschaft, Brüssel, Leipzig, Paris 1909], S. 128. – Im Original mit *.