seinen Eltern. Wenn er kein Fleisch hat, behält er ein wenig für sich, doch hat er zum Beispiel ein Opossum, so gibt er alles weg. Hat seine Mutter Fische gefangen, so mag sie ihm etwas davon geben, oder die Schwiegereltern geben ihm etwas von ihrem Teil ; auch geben sie ihm in solchem Falle etwas am nächsten Morgen. Die Kinder sind in allen Fällen durch die Großeltern wohlversorgt.“[1] In einem Stamme gelten folgende Regeln: Von einem Känguruh zum Beispiel erhält der Erleger ein Lendenstück, der Vater das Rückenstück, die Rippen, Schultern und den Kopf; die Mutter den rechten Schenkel, der jüngere Bruder das linke Vorderbein, die ältere Schwester ein Stück entlang des Rückens, die jüngere das rechte Vorderbein. Der Vater gibt den Schwanz und ein Stück des Rückens weiter an seine Eltern, die Mutter gibt ein Teil des Schenkels und das Schienbein an ihre Eltern weiter. Von einem Bären behält der Jäger selbst die linken Rippen, der Vater erhält den rechten Hinterfuß, die Mutter den linken, der ältere Bruder den rechten Vorderfuß, der jüngere den linken. Die ältere Schwester bekommt das Rückenstück, die jüngere die Leber. Das rechte Rippenstück gehört dem Vatersbruder, ein Seitenstück dem mütterlichen Onkel, und der Kopf kommt ins Lager der jungen Männer.
In einem anderen Stamme hingegen wird die gewonnene Nahrung immer unter alle Anwesenden gleich verteilt. Wird zum Beispiel ein Wallaby (kleinere Känguruhart) erlegt und sind zum Beispiel zehn oder zwölf dabei, so erhält jeder einen Teil des Tieres. Keiner von ihnen berührt das Tier oder ein Stück desselben, bevor ihm sein Teil vom Erleger gegeben wurde. Ist der, welcher das Tier erlegt hat, zufällig abwesend, während es gebraten wurde, so rührt es keiner an, bevor er zurückkommt und es verteilt. Die Weiber erhalten gleiche Teile wie die Männer, und die Kinder werden von beiden Eltern sorgfältig bedacht.[2]
Auch diese verschiedenen Verteilungsarten, die in jedem Stamme anders sind, verraten darin ihren uraltertümlichen Charakter, daß sie in rituellen Formen auftreten und in Sprüche gefaßt sind.[3] Es kommt darin zum Ausdruck die vielleicht jahrtausendealte Tradition, die jeder Generation als etwas Überliefertes, als unverbrüchliche Regel gilt und streng eingehalten wird. Dieses System zeigt aber zweierlei in deutlichster Weise. Es zeigt vor allem, daß bei den Australnegern, dieser vielleicht zurückgebliebensten Menschenart, nicht bloß die Produktion, sondern auch die
[1] Howitt, zit. nach: [Felix] Somló: [Der Güterverkehr in der Urgesellschaft, Brüssel, Leipzig, Paris 1909], S. 42. – Im Original mit *.
[2] Siehe Howitt, zit. nach [Felix] Somló: [Der Güterverkehr in der Urgesellschaft, Brüssel, Leipzig, Paris 1909], S. 43. – Im Original mit **.
[3] Siehe [Friedrich] Ratzel: [Völkerkunde, 1. Bd„ Leipzig u. Wien] 1894, S. 333. – [Fußnote im Original]