Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 62

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das Verständnis geschwunden war, da verschwand mit der Zeit der ganze Mörissee, mit Wasser, Dämmen und Kanälen, mit den beiden Pyramiden in seiner Mitte, dem Koloß darauf und anderen Wunderdingen, so spurlos, wie wenn er nie errichtet worden wäre. Nur zehn Zeilen im Herodot, ein Fleck auf der Weltkarte des Ptolemäus sowie Spuren alter Kulturen und großer Dörfer und Städte zeugen, daß einst reiches Leben aus der grandiosen Wasseranlage quoll, wo sich heute öde Sandwüsten im inneren Libyen und öde Sümpfe entlang der Seeküste erstrecken.

In einem Falle könnte uns nur das Marxsche Schema der einfachen Reproduktion vom Standpunkte des fixen Kapitals ungenügend oder lückenhaft erscheinen. Wenn wir uns nämlich in die Produktionsperiode zurückversetzen, wo das gesamte fixe Kapital erst geschaffen wurde. In der Tat, die Gesellschaft besitzt an geleisteter Arbeit mehr als den Teil des fixen Kapitals, der jeweilig in den Wert des Jahresprodukts eingeht und von ihm wieder ersetzt wird. In den Zahlen unseres Beispiels: das gesellschaftliche Gesamtkapital beträgt nicht 6000 c + 1500 v wie im Schema, sondern 19 500 c + 1500 v. Jährlich wird zwar von dem fixen Kapital, das nach unserer Annahme 15 000 c beträgt, 1500 in Gestalt von entsprechenden Produktionsmitteln reproduziert. Aber so viel wird auch jährlich in derselben Produktion verzehrt. Nach zehn Jahren wird zwar das ganze fixe Kapital als Gebrauchsgestalt, als eine Summe von Gegenständen total erneuert. Aber nach zehn Jahren wie in jedem Jahre besitzt die Gesellschaft 15 000 c an fixem Kapital, während sie nur 1500 c jährlich leistet, oder an konstantem Kapital besitzt sie im ganzen 19 500, während sie nur 6000 c schafft. Offenbar muß sie diesen Überschuß an 13 500 fixem Kapital durch ihre Arbeit geschaffen haben; sie besitzt an aufgespeicherter vergangener Arbeit mehr, als es aus unserem Reproduktionsschema hervorgeht. Jeder gesellschaftliche jährliche Arbeitstag stützt sich schon hier, als auf gegebene Basis, auf einige vorgeleistete, aufgespeicherte jährliche Arbeitstage. Doch mit dieser Frage nach der vergangenen Arbeit, die die Grundlage aller jetzigen Arbeit ist, versetzen wir uns an den „Anfang aller Anfänge“, der in der wirtschaftlichen Entwicklung der Menschen ebensowenig gilt wie in der natürlichen Entwicklung des Stoffes. Das Reproduktionsschema will und soll nicht den Anfangsmoment, den gesellschaftlichen Prozeß in statu nascendi darstellen, sondern es packt ihn mitten im Fluß, als ein Glied in „des Daseins unendlicher Kette”. Die vergangene Arbeit ist stets die Voraussetzung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses, mögen wir ihn so weit zurückverfolgen, wie wir wollen. Wie die gesellschaftliche Arbeit kein Ende, so hat sie auch keinen Anfang. Die Anfänge

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