Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 571

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mals freien bäuerlichen Ländereien in zins- und abgabepflichtige adelige Grundherrschaften, der ehemals freie Bauernstand in eine fronpflichtige und später auch schollenpflichtige Untertanenmasse verwandelt wurde.

Ganz anders sehen indes die Dinge aus, sobald wir irgendeine Erscheinung aus dem heutigen wirtschaftlichen Leben ins Auge fassen. Wählen wir als Beispiel eines der bemerkenswertesten, hervorstechendsten Phänomene: die Handelskrise. Jeder von uns hat schon mehrere große Handels- und Industriekrisen erlebt und kennt aus eigener Anschauung diesen von Friedrich Engels so klassisch beschriebenen Vorgang: „Der Verkehr stockt, die Märkte sind überfüllt, die Produkte liegen da, ebenso massenhaft wie unabsetzbar, das bare Geld wird unsichtbar, der Kredit verschwindet, die Fabriken stehn still, die arbeitenden Massen ermangeln der Lebensmittel, weil sie zuviel Lebensmittel produziert haben, Bankrott folgt auf Bankrott, Zwangsverkauf auf Zwangsverkauf. Jahrelang dauert die Stockung, Produktivkräfte wie Produkte werden massenhaft vergeudet und zerstört, bis die aufgehäuften Warenmassen unter größerer oder geringerer Entwertung endlich abfließen, bis Produktion und Austausch allmählich wieder in Gang kommen. Nach und nach beschleunigt sich die Gangart, fällt in Trab, der industrielle Trab geht über in Galopp, und dieser steigert sich wieder bis zur zügellosen Karriere einer vollständigen industriellen, kommerziellen, kreditlichen und spekulativen Steeple-chase, um endlich nach den halsbrechendsten Sprüngen wieder anzulangen – im Graben des Krachs.“[1] Wir wissen alle, daß eine solche Handelskrise der Schrecken jedes modernen Landes ist, und sehr bezeichnend ist schon die Art und Weise, wie das Herannahen einer Krise angekündigt wird. Nach Verlauf von einigen Jahren der Prosperität und des guten Geschäftsgangs beginnt erst hie und da in der Presse ein unklares Gemunkel, auf der Börse werden einzelne beunruhigende Nachrichten über Bankrotte gemeldet, dann werden die Winke in der Presse deutlicher, die Börse wird immer unruhiger, die Staatsbank erhöht den Diskont, das heißt erschwert und beschränkt den gewährten Kredit; bis die Nachrichten über Bankrotte, Stockungen wie ein Platzregen kommen. Und ist die Krise im vollen Gang, dann hebt der Streit darum an, wer an ihr die Schuld trägt. Die Geschäftsleute schieben die Schuld auf die schroffe Kreditverweigerung der Banken, die Banken auf die Spekulationswut der Börsenleute, die Börsianer auf die Industriellen, die Industriellen auf den Mangel an Geld

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[1] Friedrich Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 20, S. 257.