Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 566

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genauso natürlich, wie es unserem Bauern selbstverständlich erscheint, daß er das Holz fällt und seine Frau die Kühe melkt.) Und weiter: Was ich meinen „Reichtum“ nenne? Das versteht doch wieder jedes Kind im Dorfe! Reich ist der Bauer, der volle Scheunen, [einen] gut gefüllten Kuhstall, eine ansehnliche Schafherde, einen großen Hühnerhof hat; arm ist wohl der, bei dem es schon um die Osterzeit knapp mit dem Mehl wird und in dessen Stube es bei Regenwetter durch das Dach tropft. Wovon hängt „die Vermehrung meines Reichtums“ ab? Was ist denn da zu fragen? Wenn ich ein größeres Stück gutes Land hätte, so wäre ich natürlich reicher, und wenn im Sommer, was Gott verhüte, ein starkes Hagelwetter heruntergeht, so macht es uns in 24 Stunden alle miteinander im Dorfe arm.

Wir haben hier den Bauer geduldig auf die gelehrten Fragen der Nationalökonomie antworten lassen, doch sind wir sicher, daß, bevor der Professor, der mit Notizbuch und Füllfeder zu wissenschaftlichen Forschungen auf so einen Bauernhof in Hochschottland oder Bosnien gekommen, bei der Hälfte seiner Fragen angelangt wäre, er auch schon wieder zum Tor hinausspazieren müßte. In der Tat sind alle Verhältnisse einer derart beschaffenen Bauernwirtschaft so selbstverständlich einfach und durchsichtig, daß ihre Zergliederung mit dem nationalökonomischen Seziermesser wie eine müßige Spielerei anmutet.

Man kann uns freilich entgegenhalten, daß wir vielleicht das Beispiel unglücklich gewählt hätten, indem wir eine winzige, sich selbst genügende Bauernwirtschaft ins Auge fassen, in der allerdings die äußerste Einfachheit durch die kümmerlichen Mittel und Dimensionen bedingt ist. Nehmen wir also ein anderes Beispiel. Verlassen wir den kleinen Bauernhof, der irgendwo im weltvergessenen Winkel sein bescheidenes Dasein fristet, und richten wir den Blick auf die höchste Spitze eines gewaltigen Reiches, auf die Wirtschaft Karls des Großen. Dieser Kaiser, der zu Beginn des 9. Jahrhunderts das Deutsche Reich zum mächtigsten in Europa gemacht, der zur Vergrößerung und Befestigung seines Reiches nicht weniger denn 53 Kriegszüge unternommen und unter. seinem Zepter außer dem heutigen Deutschland auch noch Frankreich, Italien, die Schweiz, den nördlichen Teil Spaniens, Holland und Belgien vereinigt hatte, war jedoch auf die ökonomischen Verhältnisse in seinen Gütern und Höfen sehr bedacht. Er hatte eine besondere Gesetzesurkunde über die Wirtschaftsgrundsätze seiner Höfe, bestehend aus 70 Paragraphen, eigenhändig verfaßt: das berühmte „Capitulare de villis“, das heißt Gesetz über die Gutshöfe, welche Urkunde als ein unschätzbares Kleinod der geschichtlichen Überlieferung

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