Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 528

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„Kritik der politischen Ökonomie“ gegeben. Auf diese Weise stellt Marx sein eigenes Werk außerhalb der bisherigen Nationalökonomie, betrachtet diese als etwas Abgeschlossenes, Fertiges, an dem er seinerseits Kritik übt. Es ist klar, daß eine Wissenschaft, von der die einen behaupten, sie sei fast so alt wie die geschriebene Geschichte der Menschheit, die anderen, sie sei kaum anderthalb Jahrhunderte alt, die drittes, sie sei überhaupt noch erst in den Windeln, wieder andere aber, sie habe bereits abgelebt und es sei Zeit, sie kritisch zu bestatten – es ist klar, daß eine solche Wissenschaft ein ziemlich eigenartiges und verwickeltes Problem darstellt.

Ebenso übel wären wir aber beraten, wenn wir einen von den amtlichen Vertretern dieser Wissenschaft fragen würden, wie denn eigentlich die merkwürdige Tatsache zu erklären sei, daß die Nationalökonomie, wie das ja jetzt vorherrschende Meinung, erst so spät, kaum vor etwa 150 Jahren, entstanden sei? Der Professor Dühring zum Beispiel wird uns unter großem Wortschwall auseinandersetzen, daß die alten Griechen und Römer über nationalökonomische Dinge noch gar keine wissenschaftlichen Begriffe, sondern bloß „unzurechnungsfähige“, „oberflächliche“, „allergewöhnlichste“ Ideen aus der täglichen Erfahrung hatten, das Mittelalter aber überhaupt höchst „unwissenschaftlich“ gewesen sei.[1] Welche gelehrte Erklärung uns offenbar um keinen Schritt vorwärtsbringt, abgesehen davon, daß sie, zumal in ihren Verallgemeinerungen über das Mittelalter, auch ganz irreführend ist.

Eine andere originelle Erklärung bringt Professor Schmoller fertig. In demselben Aufsatz, den wir oben aus dem „Handwörterbuch der Staatswissenschaften“ angeführt haben, gibt er das Folgende zum besten:

„Jahrhundertelang waren einzelne privat- und sozialwirtschaftliche Tatsachen beobachtet und beschrieben, einzelne volkswirtschaftliche Wahrheiten erkannt, in den Moral- und Rechtssystemen wirtschaftliche Fragen erörtert worden. Zu einer besonderen Wissenschaft konnten die einzelnen hierhergehörigen Teile sich erst vereinigen, als die volkswirtschaftlichen Fragen zu früher nie geahnter Bedeutung für die Leitung und Verwaltung der Staaten im 17. bis 19. Jahrhundert gelangten, zahlreiche Schriftsteller sich mit ihnen beschäftigten, eine Unterweisung der studierenden Jugend in ihnen nötig wurde und zugleich der Aufschwung des wissenschaftlichen Denkens überhaupt dazu führte, die gesammelten volkswirtschaftlichen Sätze und Wahrheiten zu einem selbständigen, durch gewisse Grundgedanken – wie Geld und Tauschverkehr, staatliche Wirt-

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[1] Siehe Eugen Dühring: Kritische Geschichte der Nationalökonomie und des Sozialismus von den Anfangen bis zur Gegenwart, Leipzig 1899, S. 20–26.