Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 527

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auch klar und verständlich aus. Wer sich dunkel und verstiegen ausdrückt, wo es sich nicht um reine Gedankenbilder der Philosophie oder Hirngespinste der religiösen Mystik handelt, zeigt nur, daß er über die Sache selbst im unklaren ist oder aber der Klarheit aus dem Wege zu gehen Ursache hat. Wir werden später sehen, daß die dunkle und verwirrende Sprache der bürgerlichen Gelehrten über das Wesen der Nationalökonomie kein Zufall ist, daß in ihr vielmehr beides zum Ausdruck kommt: sowohl die eigene Unklarheit der Herren wie auch ihre tendenziöse, verbissene Abneigung gegen die wirkliche Aufklärung der Frage.

Daß die klare Bestimmung des Wesens der Nationalökonomie in der Tat eine strittige Frage ist, kann ein äußerer Umstand plausibel machen. Es ist dies die Tatsache, daß über das Alter der nationalökonomischen Wissenschaft die widersprechendsten Ansichten geäußert worden sind. Ein bekannter alter Geschichtsschreiber und ehemals Professor der Nationalökonomie an der Pariser Universität, Adolphe Blanqui – Bruder des berühmten Sozialistenführers und Kommunekämpfers Auguste Blanqui – beginnt zum Beispiel das erste Kapitel seiner 1837 erschienenen „Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung“[1] mit folgender Inhaltsüberschrift: „Die politische Ökonomie (dies der französische Ausdruck für Nationalökonomie – R. L.) ist älter, als man denkt. Die Griechen und die Römer hatten bereits die ihrige.“ Andere nationalökonomische Geschichtsschreiber, wie zum Beispiel der ehemalige Dozent an der Berliner Universität Eugen Dühring, halten es für wichtig, umgekehrt zu betonen, die Nationalökonomie sei viel jünger, als man gewöhnlich denke, diese Wissenschaft sei eigentlich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden.[2] Um auch sozialistische Urteile hierüber anzuführen, so macht Lassalle 1864 im Vorwort zu seiner klassischen Streitschrift wider Schulze-Delitzsch ,,Kapital und Arbeit“ die folgende Äußerung:

„Die Nationalökonomie ist eine Wissenschaft, für die erst Anfänge existieren und die noch zu machen ist.“[3]

Hingegen hat Karl Marx seinem ökonomischen Hauptwerk „Das Kapital“, dessen erster Band drei Jahre später, gleichsam als die Erfüllung der von Lassalle ausgesprochenen Erwartung erschienen ist, den Untertitel

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[1] Adolphe Blanqui: Histoire de l’économie politique en Europe, depuis les anciens jusque à nos jours, Paris 1837.

[2] Siehe Eugen Dühring: Kritische Geschichte der Nationalökonomie und des Sozialismus von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Leipzig 1899, S. 16.

[3] Ferdinand Lassalle: Herr Bastiat – Schulze von Delitzsch, der ökonomische Julian, oder Kapital und Arbeit. In: Ferd. Lassalle’s Reden und Schriften. Neue Gesammt-Ausgabe. Mit einer biographischen Einleitung hrsg. von Ed. Bernstein, Dritter Band, Berlin 1893, S. 18.