Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 521

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schließen beginnt – das Zurückschlagen des Entscheidungskampfes um die Expansion aus den Gebieten, die ihr Objekt darstellen, in ihre Ursprungsländer. Der Imperialismus führt damit die Katastrophe als Daseinsform aus der Peripherie der kapitalistischen Entwicklung nach ihrem Ausgangspunkt zurück. Nachdem die Expansion des Kapitals vier Jahrhunderte lang die Existenz und die Kultur aller nichtkapitalistischen Völker in Asien, Afrika, Amerika und Australien unaufhörlichen Konvulsionen und dem massenhaften Untergang preisgegeben hatte, stürzt sie jetzt die Kulturvölker Europas selbst in eine Serie von Katastrophen, deren Schlußergebnis nur der Untergang der Kultur oder der Übergang zur sozialistischen Produktionsweise sein kann. Im Lichte dieser Auffassung gesehen, gestaltet sich die Stellung des Proletariats gegenüber dem Imperialismus zur Generalauseinandersetzung mit der Kapitalsherrschaft. Die taktische Richtschnur seines Verhaltens ist gegeben durch jene geschichtliche Alternative.

Ganz anders verlaufen die Richtlinien vom Standpunkte des offiziellen „sachverständigen“ Marxismus. Der Glaube an die Möglichkeit der Akkumulation in einer „isolierten kapitalistischen Gesellschaft“, der Glaube, daß „der Kapitalismus auch ohne Expansion denkbar“ sei, ist die theoretische Formel einer ganz bestimmten taktischen Tendenz. Diese Auffassung zielt dahin, die Phase des Imperialismus nicht als historische Notwendigkeit, nicht als entscheidende Auseinandersetzung um den Sozialismus zu betrachten, sondern als boshafte Erfindung einer Handvoll Interessenten. Diese Auffassung geht dahin, der Bourgeoisie einzureden, daß der Imperialismus und Militarismus ihr selbst vom Standpunkt ihrer eigenen kapitalistischen Interessen schädlich sei, dadurch die angebliche Handvoll der Nutznießer dieses Imperialismus zu isolieren und so einen Block des Proletariats mit breiten Schichten des Bürgertums zu bilden, um den Imperialismus zu „dämpfen“, ihn durch „teilweise Abrüstung“ auszuhungern, ihm „den Stachel zu nehmen“! Wie der Liberalismus in seiner Verfallzeit von der schlechtinformierten Monarchie an die besserzuinformierende appelliert, so will das „marxistische Zentrum“ von der schlechtberatenen Bourgeoisie an die zu belehrende, vom imperialistischen Katastrophenkurs an internationale Abrüstungsverträge[1], von dem Ringen der Großmächte um die Weltdiktatur des Säbels an die friedliche Föde-

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[1] Der Abschluß von internationalen Abrüstungsverträgen war eingeschlossen in die von Karl Kautsky konzipierte Theorie des „Ultraimperialismus”, der zufolge sich mit voller Entfaltung des Imperialismus die Widersprüche zwischen den kapitalistischen Staaten abschwächen würden, damit die Kriegsursachen verschwänden, so daß sie sich friedlich über dic Abrüstung verständigen und zu einem dauerhaften Frieden kommen könnten.