Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 505

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predigte, sie sollen ihr Wachstum dem Kapital anpassen, oder die neue „austromarxistische“, die den Arbeitern weismacht, daß das Kapital sich umgekehrt ihrem Wachstum beständig anpasse? Ich glaube, die letztere ist die größere. Denn jene alte „Narrheit” war nur der mißverständliche subjektivierte Reflex des wirklichen Verhältnisses, während diese die Umkehrung der Wirklichkeit auf den Kopf ist.

In dem ganzen von der Arbeiterbevölkerung und ihrem Wachstum handelnden Kapitel spricht Marx fortwährend von „Verwertungsbedürfnissen“ des Kapitals. Diesen paßt sich die Arbeiterbevölkerung nach Marx in ihrem Wachstum an, von diesem hängt der jeweilige Grad der Nachfrage nach Arbeitskräften, das Niveau der Löhne, die lebhaftere oder mattere Konjunktur, Prosperität oder Krise ab. Was sind nun diese „Verwertungsbedürfnisse“, von denen Marx fortwährend und Bauer in seinem ganzen „Mechanismus“ kein Sterbenswort sagt?

In demselben Kapitel spricht Marx fortwährend von „plötzlichen Expansionen“ des Kapitals, denen er in der Bewegung der Kapitalakkumulation wie der Arbeiterbevölkerung die größte Bedeutung beimißt. Ja die plötzliche und schrankenlose Expansionsfähigkeit des Kapitals ist nach Marx der charakteristische Zug und das bestimmende Moment der modernen großindustriellen Entwicklung. Was ist nun unter jenen „plötzlichen Expansionen“ des Kapitals zu verstehen, die für Marx so wichtig und von denen Bauer gleichfalls keine Silbe sagt?

Die Antwort auf beide Fragen gibt Marx in demselben Kapitel gleich zu Anfang (auf S. 577) mit folgenden klaren Worten:

„... und da endlich, unter besondrem Sporn des Bereicherungstriebs, wie z. B. Öffnung neuer Märkte, neuer Sphären der Kapitalanlage infolge neu entwickelter gesellschaftlicher Bedürfnisse usw„ die Stufenleiter der Akkumulation plötzlich ausdehnbar ist” usw.[1] [Hervorhebung – R. L.]

Dasselbe noch ausführlicher auf Seite 597:

„Mit der Akkumulation und der sie begleitenden Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit wächst die plötzliche Expansionskraft des Kapitals, nicht nur, weil die Elastizität des funktionierenden Kapitals wächst und der absolute Reichtum, wovon das Kapital nur einen elastischen Teil bildet, nicht nur, weil der Kredit, unter jedem besondren Reiz, im Umsehn ungewöhnlichen Teil dieses Reichtums der Produktion als Zusatzkapital zur Verfügung stellt ... Die mit dem Fortschritt der Akkumulation überschwellende und in Zusatzkapital verwandelbare Masse des gesellschaftlichen Reichtums drängt sich mit Frenesie in alte Produktionszweige, deren

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[1] Karl Marx: Das Kapital, Erster Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, S. 641.