wegung der Arbeitslöhne, daß sie „fortwährend sinken“ müssen, „bis die gesamte Arbeiterbevölkerung Beschäftigung findet“? Hier erleben wir also die originelle Erscheinung, daß, je mehr die Löhne sinken, um so höher der Grad der Beschäftigung steigt. Bei dem äußersten Tiefstand der Löhne wird die ganze Reservearmee aufgesogen! Auf der platten Erde, auf der wir leben, pflegt es gerade umgekehrt zu gehen: Das Sinken der Löhne geht Hand in Hand mit zunehmender Arbeitslosigkeit, ihr Steigen mit zunehmender Beschäftigung. Beim Tiefstand der Löhne ist gewöhnlich die industrielle Reservearmee am größten, beim Höhepunkt des Lohnniveaus wird sie mehr oder minder aufgesogen.
Aber der Merkwürdigkeiten gibt es in dem Bauerschen Schema noch mehr.
Aus dem Jammertal der Unterakkumulation hilft sich die kapitalistische Produktion wieder in die Höhe durch ein ebenso einfaches wie hartes Mittel: Gerade das tiefe Sinken der Löhne verhilft den Kapitalisten zu neuen Ersparnissen (die Bauer durch ein kleines Mißverständnis mit dem ersten Bande des Marxschen „Kapitals“ „relativen Mehrwert“ nennt), und darin haben sie ja wieder einen neuen Fonds zu Neuanlagen, zur Erweiterung der Produktion und zur Neubelebung der Nachfrage nach Arbeitskräften. Wiederum befinden wir uns nicht auf platter Erde, sondern auf dem Monde der Bauerschen „Gesellschaft“. Das Kapital hätte es wohl heutzutage nötig, erst aus einem allgemeinen Sinken der Löhne die paar „Spargroschen“ zusammenzukratzen, ehe es sich an neue Anlagen und Unternehmungen wagt! Es sollte erst auf ein allgemeines und andauerndes Sinken der Löhne bis zur äußersten Grenze warten müssen, um auf diesem Wege zu dem nötigen neuen Anlagekapital zu kommen behufs Erweiterung der Produktion! Auf dem Monde der Bauerschen Spekulation, auf dem der Kapitalismus die denkbar höchste Stufe der Entwicklung erreicht, alle Mittelschichten aufgesogen, die ganze Bevölkerung in lauter Kapitalisten und Proletarier verwandelt hat, in dieser Gesellschaft gibt es gleichwohl noch keine Kapitalreserven, sie lebt noch ganz von der Hand in den Mund wie zu Zeiten des „guten Dr. Aikin“ im England des 16. Jahrhunderts.[1] In jener Gesellschaft gibt es offenbar noch keine Banken, die hienieden auf Erden längst akkumulierte riesige Kapitalreserven bergen, die nur auf Absatzmöglichkeit lauern, um sich unter allen Lohnhöhen in die Produktion zu stürzen. Die fieberhafte Akkumulation auf höchster Stufenleiter, die gerade jetzt in allen kriegführenden und neutralen Staaten ein-
[1] Dr. John Aikin (1747–1822) war Arzt, Historiker und Publizist. – Siehe dazu Karl Marx: Das Kapital, Erster Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, S. 620 f.