Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 489

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-5/seite/489

nach Arbeit bleibt hinter dem Wachstum des Proletariats zurück. Wodurch wird sie herausgeschleudert? Was bewirkt diese erste Bewegung des Pendels über den Mittelpunkt des Gleichgewichts hinweg? Für gewöhnliche Sterbliche ist es freilich eine etwas harte Nuß, dies aus dem oben angeführten gelehrten Kauderwelsch Bauers herauszufinden. Zum Glück hilft er unserer Schwachheit mit etwas weniger dunklem Stil auf der nächsten Seite, wo er sagt: „Der Fortschritt zu höherer organischer Zusammensetzung des Kapitals führt die Unterakkumulation immer wieder herbei.“ (l. c., S. 870.)

Das ist wenigstens kurz und klar. Es ist also der technische Fortschritt, der die Verdrängung der lebendigen Arbeitskraft durch die Maschinen bewirkt und dadurch periodisch die relative Verlangsamung der Nachfrage nach Arbeitern, die Bildung einer industriellen Reservearmee, das Sinken der Löhne, kurzum den Zustand der „Unterakkumulation“ herbeiführt.

Konfrontieren wir Bauer mit Marx.

1.Bei Unterakkumulation, sagt Bauer, „sinkt der Wert der Arbeitskraft“, und dadurch wird „relativer Mehrwert“ gebildet, der zum neuen Akkumulationsfonds dient. Mit Verlaub I Wenn durch Maschinenanwendung „ein Teil des Bevölkerungszuwachses arbeitslos bleibt“ und durch den Druck dieser Arbeitslosen „die Löhne sinken“, so bedeutet das durchaus nicht, daß „der Wert der Arbeitskraft“ sinkt, sondern der Preis der Ware Arbeitskraft (der Geldlohn) sinkt bloß infolge des Überangebots unter ihren Wert (d. h. unter die von den Arbeitern bereits kulturell erreichte Lebenshaltung). Der relative Mehrwert entsteht aber nach Marx mitnichten durch das Sinken der Löhne unter den Wert der Arbeitskraft infolge verringerter Nachfrage nach Arbeitern; sondern – Marx wiederholt dies im ersten Bande des „Kapitals“ unzählige Male – unter der ausdrücklichen Annahme, daß der Preis der Arbeitskraft, d. h. Lohn, ihrem Wert gleich ist, mit anderen Worten, daß Nachfrage und Angebot der Arbeitskraft im Gleichgewicht ist. Es entsteht unter dieser Voraussetzung nach Marx infolge Verbilligung der Unterhaltskosten der Arbeitskraft, d. h. infolge desjenigen Faktors, den Bauer gerade ausschaltet, indem er, wie wir gesehen, zum „Gleichgewicht ein genau gleichmäßiges Wachstum des variablen Kapitals mit der Arbeiterbevölkerung“ als unbedingt notwendig erklärt. Mit einfachen Worten: Die Bildung des neuen Kapitals, aus dem er die künftige Akkumulation speisen will, leitet Bauer unter dem Schein eines „relativen Mehrwertes“ tatsächlich nur aus der Lohndrückerei ab, wie sie durch eine rückläufige Konjunktur den Arbeitern aufgenötigt wird.

2.Was ist das für ein merkwürdiges ökonomisches Gesetz für die Be-

Nächste Seite »