Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 488

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nische Bestreben, sich immer wieder aus dem Gleichgewicht auszurenken, bald nach unten – zur „Unterakkumulation“, bald nach oben – zur „Überakkumulation“. Betrachten wir zunächst die erste Bewegung der Schaukel.

Ist die erste „Akkumulationsrate“ zu schwach, sagt Bauer, d. h„ legen die Kapitalisten nicht genug neues Kapital auf die Seite, um es in der Produktion anzuwenden, „dann bleibt das Wachstum des variablen Kapitals hinter der Vermehrung der arbeitsuchenden Bevölkerung zurück. Den Zustand, der dann eintritt, können wir den Zustand der Unterakkumulation nennen.“ (l. c., S. 869.) Und nun schildert Bauer diesen Zustand näher. Die erste Wirkung der Unterakkumulation sei die Bildung einer industriellen Reservearmee. Ein Teil des Bevölkerungszuwachses bleibe arbeitslos. Die arbeitslosen Proletarier drücken auf die Löhne der Beschäftigten, die Löhne sinken, die Mehrwertrate steigt. „Da in einer Gesellschaft, die nur aus Kapitalisten und Arbeitern besteht, die arbeitslosen Proletarier kein anderes Einkommen finden können als das Lohneinkommen, müssen die Löhne so lange sinken, mug die Mehrwertrate so lange steigen [Hervorhebung – R. L.], bis trotz dem relativ verringerten variablen Kapital die gesamte Arbeiterbevölkerung Beschäftigung findet. Die veränderte Verteilung des Wertprodukts, die dadurch eintritt, ist herbeigeführt durch die Tatsache, daß mit der steigenden organischen Zusammensetzung des Kapitals, in der sich der technische Fortschritt ausdrückt, der Wert der Arbeitskraft gesunken ist, daher relativer Mehrwert gebildet wurde.“ Aus diesem Zuwachs des Mehrwertes ergibt sich für die Kapitalisten nun ein frischer Fonds zu einer erneuten stärkeren Akkumulation und, was damit gegeben, wieder zu einer lebhafteren Nachfrage nach Arbeitskräften: „Es wächst also auch die Mehrwertmasse, die zur Vergrößerung des variablen Kapitals verwendet wird.“ Ihre Vergrößerung auf diesem Wege muß sich so lange vollziehen, „bis das Gleichgewicht zwischen dem Wachstum des variablen Kapitals und dem Wachstum der Bevölkerung wiederhergestellt ist“ (1. c., S. 869). So werden wir aus der Unterakkumulation wieder zum Gleichgewicht hinausgeleitet. Hier haben wir die eine Hälfte der Pendelbewegung des Kapitals um das ökonomische Gleichgewicht geschildert, und bei diesem ersten Akt der Vorstellung wollen wir vorerst etwas länger verweilen.

Der Zustand des Gleichgewichts bedeutet – erinnern wir uns nochmals –, daß Nachfrage nach Arbeitskräften und Wachstum der proletarischen Bevölkerung einander die Waage halten, also die gesamte Arbeiterklasse mit ihrem natürlichen Zuwachs Beschäftigung findet. Aus diesem Gleichgewicht wird die Produktion nun hinausgeschleudert, die Nachfrage

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