Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 480

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-5/seite/480

jährlich in einem festen Verhältnis wächst, das variable Kapital nur in einem ständig abnehmenden Verhältnis wachsen kann, wenn die Bevölkerung jährlich um 5 Prozent, so das variable Kapital, sagen wir, um 45/6, 44/5, 43/4, 41/2 Prozent usw. Und umgekehrt: Damit das variable Kapital mit dieser Regelmäßigkeit um 5 Prozent jährlich wächst, müßte bei rapidem technischem Fortschritt die Bevölkerung in zunehmender Progression wachsen, sagen wir, um 51/4, 51/2, 53/4, 6 Prozent usw.

Damit bricht aber das von Bauer aufgestellte Gesetz des „Gleichgewichts“ wie ein Kartenhaus zusammen. Es genügt zu konstatieren: Sein „Gleichgewichtszustand“, der Ausgangspunkt seiner ganzen Theorie der Akkumulation in Anpassung an das Bevölkerungswachstum, ist errichtet auf dem Dilemma zweier ökonomischer Absurditäten, die beide dem Wesen des Kapitalismus und dem Zweck der Akkumulation widersprechen: daß der technische Fortschritt entweder die Waren überhaupt nicht verbilligt oder daß diese Verbilligung ausschließlich den Arbeitern und nicht der Akkumulation zugute kommt!

Sehen wir uns nun ein wenig nach der Wirklichkeit um. Die Bauersche Annahme des fünfprozentigen jährlichen Zuwachses der Bevölkerung ist natürlich nur ein theoretisches Beispiel. Er konnte ebensogut 2 Prozent oder 10 Prozent wählen. Nicht gleichgültig ist aber das tatsächliche Wachstum der Bevölkerung, dem nach Bauer die kapitalistische Entwicklung sich genau anpassen müsse. Auf diesem Grundsatz beruht ja seine ganze Theorie der Akkumulation. Und was zeigt uns das wirkliche Wachstum der Bevölkerung, z. B. in Deutschland?

Die jährliche Zunahme der Bevölkerung betrug hier nach offiziellen statistischen Angaben im Zeitraum 1816 bis 1864 0,96 Prozent, in der Periode 1864 bis 1910 1,09 Prozent. In der Wirklichkeit geht also die Zunahme der Bevölkerung in dem Tempo vor sich, daß sich von 1816 bis 1910, fast in einem Jahrhundert, der Jahreszuwachs von 0,96 Prozent auf 1,09 gehoben hat: um ganze 0;13 Prozent. Oder wenn wir nur die Periode der großkapitalistischen Entwicklung Deutschlands näher ins Auge fassen, so betrug die jährliche Zunahme der Bevölkerung 1871 bis 1888 1,08 Prozent, 1880 bis 1890 0,89 Prozent, 1890 bis 1900 1,31 Prozent und 1900 bis 1910 1,41 Prozent. Also auch hier eine Zunahme des jährlichen Wachstums im Verlauf von 40 Jahren um ein ganzes Drittel Prozent. Wie ähnlich sieht das dem rasenden, beispiellosen Tempo im Wachstum des deutschen Kapitalismus während des letzten Vierteljahrhunderts!

Noch herrlichere Ausblicke eröffnen sich, wenn wir die anderen kapita-

Nächste Seite »