Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 475

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nun ist es wohl zur Evidenz klar, wie sehr Bauer berufen ist, den zweiten Band von Marx nicht nur zu erläutern, sondern namentlich die Marxschen Darlegungen von ihren Widersprüchen und „Willkürlichkeiten“ zu „befreien“ und einen „angemessenen Ausdruck für Marxens Gedankengang“ zu liefern.

Bauer krönt den allgemeinen Teil seiner Kritik an meinem Buche mit dem folgenden Passus:

„Die Genossin Luxemburg glaubt, die Waren, in denen (a + ß) verkörpert sind (für gewöhnliche Sterbliche: die Waren, in denen der zur Kapitalisierung bestimmte Mehrwert steckt – R. L.), müßten außerhalb der kapitalistischen Welt verkauft werden, damit die Realisierung des in ihnen vergegenständlichten Mehrwerts möglich werde. Ja, was für Waren sind denn das? Das sind doch jene Produktionsmittel, die die Kapitalisten brauchen, um ihren Produktionsapparat zu erweitern, und jene Konsumtionsgüter, die dazu gebraucht werden, den Zuwachs der Arbeiterbevölkerung zu ernähren.“ Und Bauer ruft, erstaunt über meine Begriffsstutzigkeit: „Wenn diese Waren aus der kapitalistischen Welt hinausgeschleudert würden, dann wäre im nächsten Jahre überhaupt keine Produktion auf erweiterter Stufenleiter möglich; es wären weder die notwendigen Produktionsmittel zur Erweiterung des Produktionsapparats noch die notwendigen Lebensmittel zur Ernährung einer vermehrten Arbeiterschaft zu beschaffen. Die Ausscheidung dieses Teils des Mehrwerts aus dem kapitalistischen Markte würde nicht, wie Rosa Luxemburg meint, die Akkumulation ermöglichen, sie würde vielmehr jede Akkumulation unmöglich machen.“ (1. c., S. 868. Hervorgehoben bei Bauer.)

Und nochmals zum Schluß seines Artikels kategorisch: „Der Teil des Mehrproduktes, in dem der akkumulierte Mehrwertteil verkörpert ist, kann nicht an Bauern und Kleinbürger der Kolonien verkauft werden, weil er im kapitalistischen Mutterland selbst gebraucht wird, den Produktionsapparat zu erweitern.“ (l. c., S. 873.)

Alle guten Geister loben Gott den Herrn! Hat man Worte für eine solche Vorstellung und solche Kritik? Hier sind wir schon völlig im Bereich der ökonomischen Unschuld, das ist ja das Niveau des kreuzbraven v. Kirchmann oder des ehrenwerten russischen Erzkonfusionarius Woronzow. Bauer glaubt also allen Ernstes, daß, wenn kapitalistische Waren nach nichtkapitalistischen Schichten oder Ländern „hinausgeschleudert“ werden, sie glatt verschwinden, als wenn sie ins Meer geworfen wären, und in der kapitalistischen Wirtschaft ein klaffendes Loch zurücklassen! Er hat im Eifer der Spintisiererei über das Marxsche Schema nicht be-

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