Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 467

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Bauer beruft sich darauf, daß mit dem technischen Fortschritt die Herstellung der Produktionsmittel auf Kosten derjenigen der Konsumgüter wachse und die Kapitalisten der letzten Abteilung demgemäß beständig einen Teil ihres Mehrwerts in dieser oder jener Form (durch Banken, Aktienerwerbungen oder eigene Gründungen) in der ersten Abteilung anlegen. Das ist alles vortrefflich. Allein die „Übertragungen“ des akkumulierten Mehrwerts aus einem Produktionszweig in einen anderen können eben nur in Form des Geldkapitals geschehen, dieser unterschiedslosen, absoluten und deshalb zur gesellschaftlichen Fluktuation, zur Vermittelung der Verschiebungen in der gesellschaftlichen Warenproduktion unentbehrlichen Form des Kapitals. Man kann nicht mit einem Posten unverkäuflicher Stearinkerzen Aktien von Kupferminen erwerben oder mit einem Lager unabsetzbarer Gummischuhe eine neue Maschinenfabrik gründen. Es galt ja gerade zu zeigen, wie durch den allseitigen Austausch kapitalistische Waren zu Geldkapital werden, das allein das Fluktuieren aus einem Produktionszweig in den anderen ermöglicht. Es ist also eine leere Ausflucht, wenn man in dem Moment, wo man den Austausch nicht ausführen kann, einfach die unabsetzbaren Produkte ohne Austausch in eine andere Produktionsabteilung „überträgt“.

Und ebenso wunderlich ist der Bauersche Einfall, die eine Abteilung der gesellschaftlichen Produktion in der anderen mit „gründen“ zu lassen. Die Marxschen „Abteilungen” bedeuten nicht Personenregister der Unternehmer, sondern objektive ökonomische Kategorien. Wenn ein Kapitalist aus der Abteilung II mit einem Teil seines Geldkapitals auch in der Abteilung I „gründen“ und akkumulieren will, so bedeutet das nicht, daß die Abteilung der Konsumgüter in der Abteilung der Produktionsmittel mitproduziert, was eine ökonomische Absurdität, sondern nur, daß eine und dieselbe Person gleichzeitig als Unternehmer in jeder der beiden Abteilungen fungiert. Wir haben dann ökonomisch doch mit zwei Kapitalen zu tun, von denen das eine Produktionsmittel, das andere Konsumgüter herstellt. Daß diese beiden Kapitale einer und derselben Person gehören mögen, daß sich der Mehrwert aus beiden in einer Tasche vermischt, ist objektiv, für die Analyse der gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen, vollkommen schnuppe. Deshalb bleibt doch der Austausch die einzige Verbindungsbrücke zwischen den beiden Abteilungen oder aber bricht, wenn man aus beiden, wie Bauer, einen formlosen Brei durcheinanderrührt, die strenge Konstruktion von Marx, das Resultat eines hundertjährigen Ringens der Nationalökonomie nach Klarheit, zusammen, und die Analyse des Reproduktionsprozesses löst sich wieder in das Chaos auf,

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