dies aber möglich, solange man kritiklos an der Marxschen Voraussetzung im zweiten Bande des „Kapitals“ festhält, die auf eine Gesellschaft zugeschnitten ist, in der die kapitalistische Produktion die einzige ist, in der die ganze Bevölkerung lediglich aus Kapitalisten und Lohnarbeitern besteht?
Wie man auch die inneren ökonomischen Triebfedern des Imperialismus näher bestimmen mag, soviel ist jedenfalls klar und allgemein bekannt: Sein Wesen besteht gerade in der Ausbreitung der Kapitalsherrschaft aus alten kapitalistischen Ländern auf neue Gebiete und im wirtschaftlichen und politischen Konkurrenzkampf jener Länder um solche Gebiete. Marx nimmt aber, wie wir gesehen, im zweiten Bande seines „Kapitals“ an, die ganze Welt sei bereits „eine kapitalistische Nation“, alle anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsformen seien bereits verschwunden. Wie kann man nun den Imperialismus in einer solchen Gesellschaft erklären, wo doch für ihn gar kein Raum mehr vorhanden ist?
Hier glaubte ich die Kritik einsetzen zu müssen. Die theoretische Annahme einer lediglich aus Kapitalisten und Arbeitern bestehenden Gesellschaft, die an sich für bestimmte Zwecke der Untersuchung – so im ersten Bande des „Kapitals”, bei der Analyse des Einzelkapitals und seiner Ausbeutungspraktiken in der Fabrik – vollkommen berechtigt und am Platze ist, schien mir unangebracht und störend, wo es sich um die Akkumulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals handelt. Da diese den wirklichen historischen Prozeß der kapitalistischen Entwicklung darstellt, kann man sie meines Erachtens unmöglich erfassen, wenn man von allen Bedingungen dieser geschichtlichen Wirklichkeit absieht. Die Kapitalakkumulation als geschichtlicher Prozeß arbeitet sich vom ersten bis zum letzten Tage mitten in einem Milieu verschiedener vorkapitalistischer Formationen vorwärts, im stetigen politischen Kampfe und in unaufhörlichen ökonomischen Wechselwirkungen mit ihnen. Wie kann man also diesen Prozeß und seine inneren Bewegungsgesetze in einer blutleeren theoretischen Fiktion richtig erfassen, die dieses ganze Milieu, diesen Kampf und diese Wechselwirkungen für nicht existierend erklärt?
Gerade hier scheint mir ganz im Geiste der Marxschen Theorie notwendig, die Voraussetzung des ersten Bandes des „Kapitals“, die dort vortreffliche Dienste leistete, nunmehr aufzugeben und die Untersuchung der Akkumulation als Gesamtprozeß auf die konkrete Basis des Stoffwechsels zwischen dem Kapital und seiner historischen Umgebung zu stellen. Tut man das, dann ergibt sich m. E. die Erklärung des Prozesses gerade aus den Marxschen Grundlehren und in völligem Einklang mit den übrigen Teilen seines ökonomischen Hauptwerkes in ungezwungener Weise.