Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 424

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genen Gesetze aufzuzeigen, die mitten im Wirrwarr der Privatwirtschaften Ordnung und Zusammenhang des gesellschaftlichen Ganzen herstellen. Diesen objektiven unsichtbaren Regeln der kapitalistischen Akkumulation – Kapitalanhäufung durch fortschreitende Produktionserweiterung – haben wir jetzt nachzuspüren. Daß diese Gesetze, die wir hier darlegen, für die bewußte Handlungsweise der agierenden Einzelkapitale nicht maßgebend sind, daß in der Tat kein Gesamtorgan der Gesellschaft existiert, welches diese Regeln bewußt aufstellen und ins Werk setzen würde, daraus folgt nur, daß die heutige Produktion, wie ein Taumelnder, durch lauter Zuviel oder Zuwenig, durch lauter Preisschwankungen und Krisen ihren Aufgaben gerecht wird. Aber gerade diese Preisschwankungen und Krisen haben schließlich für die Gesellschaft im ganzen nur den Sinn, daß sie die chaotische Privatproduktion stündlich und periodisch immer wieder ins Geleise der allgemeinen großen Zusammenhänge einrenken, ohne die sie sehr bald aus dem Leim gehen müßte. Wenn wir also hier mit Marx das Verhältnis der kapitalistischen Gesamtproduktion zum gesellschaftlichen Bedürfnis in großen Linien zu entwerfen suchen, sehen wir bloß von den spezifischen Methoden des Kapitalismus: Preisschwankungen und Krisen, ab, wodurch er jene Verhältnisse ins Werk setzt, und schauen der Sache auf den Grund.

Mit jenen zwei großen Portionen der gesellschaftlichen Warenmasse, die wir erledigt haben, kann es nun aber doch sein Bewenden nicht haben. Würde die Ausbeutung der Arbeitenden nur dazu dienen, den Ausbeutern ein üppiges Leben zu gestatten, dann hätten wir eine Art modernisierter Sklavengesellschaft oder mittelalterlicher Feudalherrschaft, nicht aber die moderne Herrschaft des Kapitals. Ihr Lebenszweck und -beruf ist: Profit in Geldgestalt, Anhäufung von Geldkapital. Also beginnt der eigentliche historische Sinn der Produktion erst dort, wo die Ausbeutung über jene Schranke hinausgeht. Der Mehrwert muß nicht bloß hinreichend sein, um die „standesgemäße“ Existenz der Kapitalistenklasse zu gestatten, sondern darüber hinaus einen zur Akkumulation bestimmten Teil enthalten. Ja dieser überragende eigentliche Zweck ist so maßgebend, daß die Arbeiter nur in dem Maße beschäftigt, also auch in die Lage versetzt werden, für sich selbst Lebensmittel zu beschaffen, als sie diesen zur Akkumulation bestimmten Profit erzeugen und als Aussicht besteht, ihn auch wirklich in Geldgestalt akkumulieren zu können.

In unserem gedachten Gesamtwarenlager der kapitalistischen Gesellschaft müssen wir dementsprechend auch noch eine dritte Portion Waren vorfinden, die weder zur Erneuerung der verbrauchten Produktionsmittel

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