Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 422

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tens kapitalistisches Lohnsystem, d. h. ein Verhältnis, wobei die große Masse des arbeitenden Volkes nur durch den Austausch der Arbeitskraft mit dem Kapital zu Kauf mitteln für Waren gelangt und wo die besitzende Klasse nur durch die Ausbeutung dieses Verhältnisses zu ihren Lebensmitteln gelangt. So setzt die kapitalistische Produktion von selbst zwei große Bevölkerungsklassen voraus: Kapitalisten und Arbeiter, die in bezug auf Versorgung mit Lebensmitteln grundverschieden gestellt sind. Die Arbeiter müssen, so gleichgültig ihr Los an sich dem einzelnen Kapitalisten ist, mindestens ernährt werden, soweit ihre Arbeitskraft für Zwecke des Kapitals verwendbar, damit sie zur weiteren Ausbeutung erhalten bleiben. Von der Gesamtmasse der von den Arbeitern hergestellten Waren wird ihnen also durch die Kapitalistenklasse jährlich, genau im Maße ihrer Verwendbarkeit in der Produktion, eine Portion Lebensmittel zugewiesen. Zum Ankauf dieser Waren kriegen die Arbeiter von ihren Unternehmern die Löhne in Geldform. Auf dem Wege des Austausches bekommt also die Arbeiterklasse alljährlich für den Verkauf ihrer Arbeitskraft erst von der Kapitalistenklasse eine gewisse Geldsumme, womit sie sich wiederum aus der gesellschaftlichen Warenmasse, die ja Eigentum der Kapitalisten ist, die Portion Lebensmittel eintauscht, die ihr je nach ihrer Kulturhöhe und dem Stand des Klassenkampfes zugestanden wird. Das Geld, das diesen zweiten großen Austausch in der Gesellschaft vermittelt, kommt somit wiederum aus der Tasche der Kapitalistenklasse: Jeder Kapitalist muß zum Betriebe seiner Unternehmung das von Marx sogenannte „variable Kapital“, d. h. das nötige Geldkapital zum Ankauf der Arbeitskraft, vorstrecken. Dieses Geld kehrt aber, nachdem die Arbeiter allseitig ihre Lebensmittel eingekauft haben (und jeder Arbeiter muß dies zur eigenen und der Familie Erhaltung tun), auf Heller und Pfennig in die Tasche der Kapitalisten als Klasse wieder zurück. Sind es doch kapitalistische Unternehmer, die den Arbeitern ihre Lebensmittel als Waren verkaufen. Nun zur Konsumtion der Kapitalisten selbst. Die Lebensmittel der Kapitalistenklasse gehören ihr schon als Warenmasse vor jedem Austausch, und zwar kraft des kapitalistischen Verhältnisses, wonach alle Waren überhaupt – außer der einzigen Ware Arbeitskraft – als Eigentum des Kapitals zur Welt kommen. Freilich kommen jene „besseren“ Lebensmittel, gerade weil Waren, nur als Eigentum vieler zersplitterter Privatkapitalisten, als respektives Privateigentum jedes Einzelkapitalisten zur Welt. So muß auch, damit die Kapitalistenklasse zum Genuß der ihr gehörigen Lebensmittelmasse gelangt – wie beim konstanten Kapital –, ein allseitiger Händewechsel unter den Kapitalisten stattfinden. Auch dieser gesellschaft-

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