Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 42

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sondern auch die vergangene, die zu ihm den Stoff, das Arbeitsinstrument usw. geliefert hatte. In der Wertproduktion, d. h. in der Warenproduktion, wozu auch die kapitalistische gehört, wird diese Erscheinung nicht aufgehoben, sie bekommt nur einen spezifischen Ausdruck. Sie drückt sich in dem Doppelcharakter der warenproduzierenden Arbeit aus, die einerseits als nützliche konkrete Arbeit irgendeiner Art den nützlichen Gegenstand, den Gebrauchswert schafft, andererseits als abstrakte, allgemeine gesellschaftlich notwendige Arbeit Wert schafft. In ihrer ersten Eigenschaft tut sie, was die menschliche Arbeit stets getan: die vergangene Arbeit, die in den benutzten Produktionsmitteln steckt, auf das neue Produkt mitzuübertragen, nur daß auch diese vergangene Arbeit jetzt als Wert, als alter Wert erscheint. In ihrer zweiten Eigenschaft schafft sie Neuwert, der kapitalistisch in bezahlte und unbezahlte Arbeit: v + mzerfällt. Der Wert jeder Ware muß also sowohl alten Wert enthalten, den die Arbeit in ihrer Eigenschaft als nützliche konkrete Arbeit von den Produktionsmitteln auf die Ware überträgt, wie Neuwert, den dieselbe Arbeit in ihrer Eigenschaft als gesellschaftlich notwendige durch ihre bloße Verausgabung, durch ihre Dauer schafft.

Diese Unterscheidung konnte Smith nicht machen, da er den Doppelcharakter der wertschaffenden Arbeit nicht auseinanderhielt, und Marx glaubt an einer Stelle, in diesem fundamentalen Irrtum der Smithschen Werttheorie sogar die eigentliche tiefste Quelle seines seltsamen Dogmas von der restlosen Auflösung aller hergestellten Wertmasse in v + merblicken zu müssen.[1] Die Nichtunterscheidung der beiden Seiten der warenproduzierenden Arbeit: der konkreten nützlichen und der abstrakten gesellschaftlich notwendigen, bildet in der Tat eines der hervorragendsten Merkmale nicht bloß der Smithschen, sondern der Werttheorie der ganzen klassischen Schule.

Unbekümmert um alle sozialen Konsequenzen hat die klassische Ökonomie die menschliche Arbeit als den allein wertschaffenden Faktor erkannt und diese Theorie bis zu jener Klarheit ausgearbeitet, die uns in der Ricardoschen Fassung vorliegt. Worin aber der fundamentale Unterschied zwischen der Ricardoschen und der Marxschen Arbeitswerttheorie liegt – ein Unterschied, der nicht nur von bürgerlichen Ökonomen verkannt, sondern auch in den Popularisationen der Marxschen Lehre meist unberücksichtigt bleibt –, ist, daß Ricardo, entsprechend seiner allgemeinen naturrechtlichen Auffassung von der bürgerlichen Wirtschaft, auch das

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[1] Siehe Das Kapital, Bd. II, S. 351. [Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels Werke, Bd. 24, S. 376 f.] – [Fußnote im Original]