Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 418

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nicht ausreichend. Der Prozeß ist an objektive gesellschaftliche Bedingungen gebunden, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen.

Vor allem muß zur Ermöglichung der Ausbeutung die Arbeitskraft in genügendem Maße vorhanden sein. Daß dies der Fall, dafür sorgt das Kapital, nachdem die kapitalistische Produktionsweise einmal geschichtlich in Fluß gekommen und einigermaßen konsolidiert ist, durch den eigenen Mechanismus dieser Produktion. Und zwar, 1. indem es den beschäftigten Lohnarbeitern schlecht oder recht ermöglicht, sich durch den erhaltenen Lohn für die Zwecke der weiteren Ausbeutung zu erhalten und durch natürliche Fortpflanzung zu vermehren, aber auch nur dies ermöglicht; 2. indem es durch ständige Proletarisierung der Mittelschichten wie durch die Konkurrenz, die es dem Lohnarbeiter mit der Maschine in der Großindustrie bereitet, eine stets disponible Reservearmee des Industrieproletariats bildet.

Nachdem diese Bedingung erfüllt, d. h. stets verfügbares Ausbeutungsmaterial in Gestalt des Lohnproletariats gesichert und der Mechanismus der Ausbeutung durch das Lohnsystem selbst geregelt ist, kommt eine neue Grundbedingung der Kapitalakkumulation in Betracht: die Möglichkeit, fortschreitend die von den Lohnarbeitern hergestellten Waren zu verkaufen, um sowohl die eigenen Auslagen des Kapitalisten wie den der Arbeitskraft abgepreßten Mehrwert in Geld zurückzuerhalten. „Die erste Bedingung der Akkumulation ist, daß der Kapitalist es fertiggebracht hat, seine Waren zu verkaufen und den größten Teil des so erhaltenen Geldes in Kapital rückzuverwandeln.“ (Das Kapital, Bd. I, 7. Abschnitt, Einleitung.) [Karl Marx: Das Kapital, Erster Band. In: Karl Marx/Friedrich Engels: Werke, Bd. 23, S. 589.] Damit die Akkumulation als fortlaufender Prozeß stattfindet, ist somit eine ständig wachsende Möglichkeit des Warenabsatzes für das Kapital unentbehrlich. Die Grundbedingung der Ausbeutung schafft sich das Kapital, wie wir gesehen, selbst. Der erste Band des Marxschen „Kapitals“ hat diesen Prozeß eingehend analysiert und geschildert. Wie ist es aber mit der Realisierbarkeit der Früchte jener Ausbeutung, mit den Absatzmöglichkeiten? Wovon hängen diese ab? Liegt es etwa in der Macht des Kapitals oder im Wesen seines Produktionsmechanismus selbst, den Absatz seinen Bedürfnissen gemäß zu erweitern, so wie er die Zahl der Arbeitskräfte seinen Bedürfnissen anpaßt? Durchaus nicht. Hier kommt die Abhängigkeit des Kapitals von den gesellschaftlichen Bedingungen zum Ausdruck. Die kapitalistische Produktion hat trotz all ihrer Kardinalunterschiede von anderen geschichtlichen Produktionsformen mit ihnen allen das gemein, daß sie in letzter Linie,

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