Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 361

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Kosten und keine Blutopfer schienen der englischen Bourgeoisie zu groß, um sich der Länder in Südafrika zu bemächtigen. Hierher ergoß sich plötzlich ein gewaltiger Strom der Einwanderung. Bis dahin war sie gering; die Vereinigten Staaten lenkten die europäische Emigration von Afrika ab. Seit den Entdeckungen der Diamant- und Goldfelder wuchs die Anzahl der Weißen in den südafrikanischen Kolonien sprunghaft: 1885–1895 waren 100 000 Engländer am Witwatersrand allein eingewandert. Die bescheidene Bauernwirtschaft wurde nun in den Hintergrund geschoben, der Bergbau rückte an die erste Stelle und mit ihm das Grubenkapital.

Die englische Regierung machte nun einen schroffen Frontwechsel in ihrer Politik. In den 50er Jahren hatte England durch den Sand-River-Vertrag[1] und durch den Bloemfontein-Vertrag[2] die Burenrepubliken anerkannt. Jetzt begann die politische Einkreisung der Bauernstaaten durch die Okkupation aller Gebiete um die winzigen Republiken herum, um ihnen jede Ausdehnung abzuschneiden, gleichzeitig wurden die lange beschützten und begönnerten Neger geschluckt. Schlag auf Schlag rückte das englische Kapital vor. 1868 nahm England das Basutoland – natürlich auf „wiederholtes Flehen“ der Eingeborenen – unter seine Herrschaft.[3] 1871 wurden die Diamantfelder am Witwatersrand als „Westgriqualand“ dem Oranjestaat entrissen und zur Kronkolonie gemacht, 1879 wurde das Zululand unterworfen, um später der Kolonie Natal einverleibt zu werden, 1885 wurde das Betschuanaland unterworfen und nachher der Kapkolonie angegliedert, 1888 unterwarf sich England die Matabele und das Maschonaland; 1889 bekam die Britisch-Südafrikanische Gesellschaft den Charter auf beide Gebiete – auch dies natürlich nur aus Gefälligkeit für die Eingeborenen und auf ihre inständigen Bitten[4], 1884 und 1887 wurde die St.-Lucia-Bai und die ganze Ostküste bis zum portugiesischen Besitz von England annektiert; 1894 nahm England das Tongaland in

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[1] Im Sand-River-Vertrag, benannt nach einem Fluß in Südafrika, erkannte Großbritannien 1852 die Souveränität der Burengebiete nördlich des Flusses Vaal, die sich 1852/53 zum Freistaat Transvaal konstituiert hatten, an.

[2] Im Bloemfontein-Vertrag, nach der Hauptstadt des Oranje-Freistaates genannt, erkannte Großbritannien 1854 die Souveränität dieser 1842 gegründeten Burenrepublik an.

[3] „Moshesh, the great Basuto leader, tho whose courage and statesmanship the Basutos owed their very existence as a people, was still alive at the time, but constant war with the Boers of the Orange Free State had brought him and his followers to the last stage of distress. Two thousand Basuto warriors had been killed, cattle had been carried off, native homes had been broken up and crops destroyed. The tribe was reduced to the position of starving refugees, and nothing could save them but the protection of the British Government, which they had repeatedly implored.“ (C. P. Lucas: A Historical Geography of the British Colonies, Oxford, Bd. IV, S. 60.) – [Fußnote im Original]

[4] „The eastern section of the territory is Mashonaland, where, with the permission of King Lobengula, who claimed it, the British South Africa Company first established themselves.“ (Lucas: I. c.; S. 77.) – [Fußnote im Original]