Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 359

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sich jedoch nicht mit dem Raub der Ländereien der Eingeborenen, sondern sie richteten ihre bäuerliche Wirtschaft wie Parasiten auf dem Rücken der Neger ein, die sie zur Sklavenarbeit für sich zwangen und zu diesem Behufe systematisch und zielbewußt korrumpierten und entnervten. Der Branntwein spielte dabei eine so wesentliche Rolle, daß das Branntweinverbot der englischen Regierung in der Kapkolonie an dem Widerstand der Puritaner scheiterte. Im allgemeinen blieb die Wirtschaft der Burcn bis in die 60er Jahre vorwiegend patriarchalisch und naturalwirtschaftlich. Wurde doch erst 1859 die erste Eisenbahn in Südafrika gebaut. Der patriarchalische Charakter verhinderte freilich keineswegs die äußerste Härte und Roheit der Buren. Livingstone beklagte sich bekanntlich viel mehr über die Buren als über die Kaffern. Die Neger schienen ihnen ein so von Gott und Natur zur Sklavenarbeit für sie bestimmtes Objekt, eine so unentbehrliche Grundlage der Bauernwirtschaft zu sein, daß sie die Aufhebung der Sklaverei in den englischen Kolonien im Jahre 1836[1], trotz der Abfindung der Eigentümer hier mit 3 Millionen Pfund Sterling, mit dem „großen Treck“ beantworteten. Die Buren wanderten aus der Kapkolonie über den Oranje und Vaal aus, trieben dabei die Matabeles nach Norden über den Limpopo und hetzten sie den Makalakas auf den Hals. Wie der amerikanische Farmer unter den Streichen der Kapitalswirtschaft die Indianer vor sich her nach dem Westen, so trieb der Bur die Neger nach dem Norden. Die „freien Republiken“ zwischen Oranje und Limpopo entstanden so als Protest gegen den Anschlag der englischen Bourgeoisie auf das geheiligte Recht der Sklaverei. Die winzigen Bauernrepubliken lagen im ständigen Guerillakrieg mit den Bantunegern. Auf dem Rücken der Neger wurde nun der jahrzehntelange Kampf zwischen den Buren und der englischen Regierung ausgefochten. Als Vorwand zum Konflikt zwischen England und den Republiken diente die Negerfrage, nämlich die angeblich von der englischen Bourgeoisie angestrebte Emanzipation der Neger. In Wirklichkeit traten hier die Bauernwirtschaft und die großkapitalistische Kolonialpolitik in Konkurrenzkampf miteinander um die Hottentotten und Kaffern, d. h. um ihr Land und ihre Arbeitskraft. Das Ziel beider Konkurrenten war genau dasselbe: Niederwerfung, Verdrängung oder Ausrottung der Farbigen, Zerstörung ihrer sozialen Organisation, Aneignung ihres Grund und Bodens und Erzwingung ihrer Arbeit im Dienste der Ausbeutung. Nur die Methoden waren grundverschieden. Die

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[1] Ein Sklavenaufstand auf Jamaika im Jahre 1831 hatte das englische Parlament veranlaßt, 1833 die Abschaffung der Sklaverei in den englischen Kolonien zu beschließen. Da die ehemaligen Sklaven kein Land besaßen, waren sie gezwungen, auf den Plantagen ihrer früheren Herren als Lohnarbeiter zu arbeiten. Die Sklavenbesitzer erhielten eine Abfindung von 20 Millionen Pfund.