Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 348

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seine Kinder zu verfertigen, wie das vor 50 Jahren gemacht wurde, verkauft den Samen, das Stroh aber verbrennt er. Von fünfzig Farmern züchtet jetzt kaum einer Schafe; er rechnet auf die großen Zuchtfarmen und bezieht seinerseits die Wolle schon in fertiger Gestalt als Tuch oder Kleid. Sein Anzug wird nicht mehr zu Hause genäht, sondern in der Stadt gekauft. Anstatt selbst die nötigen Gerätschaften, Gabeln, Harke usw., anzufertigen, begibt er sich nach der Stadt, um das Heft zum Beil oder den Stiel zum Hammer zu kaufen; er kauft Taue und Schnüre und allerlei Faserzeug, er kauft Kleiderstoffe oder selbst Kleider, er kauft konservierte Früchte, er kauft Speck und Fleisch und Schinken, er kauft heute fast alles, was er einst selbst produzierte, und er braucht zu alledem Geld. Außer alledem und was seltsamer scheint als alles andere, ist folgendes: Während früher die Heimstätte des Amerikaners frei und unverschuldet blieb – nicht in einem Fall auf tausend war eine Heimstätte mit Hypotheken belastet, um eine Geldanleihe zu sichern – und während bei dem geringen Bedarf an Geld zur Führung des Betriebes stets Geld genug unter den Farmern vorhanden war, ist jetzt, wo zehnmal soviel Geld benötigt wird, nur wenig oder gar keines zu haben. Etwa die Hälfte der Farmen haben Hypothekenschulden, die ihren ganzen Wert verschlingen, und die Zinsen sind exorbitant. Die Ursache dieses merkwürdigen Umschwungs liegt in dem Manufakturisten mit seinen Wollen- und Leinenfabriken, Holzbearbeitungsfabriken, Baumwollspinnereien und Webereien, mit seinen Fleisch- und Obstkonservenfabriken usw. usw.; die kleinen Farmwerkstätten haben den großen städtischen Werken den Platz geräumt. Die nachbarliche Wagnerwerkstatt hat dem enormen städtischen Werk Platz gemacht, wo hundert oder zweihundert Wagen pro Woche hergestellt werden; an Stelle der Schusterwerkstatt ist die große städtische Fabrik getreten, wo der größte Teil der Arbeit vermittels der Maschinen gemacht wird.“[1] Und endlich ist auch die landwirtschaftliche Arbeit des Farmers selbst zur Maschinenarbeit geworden. „Jetzt pflügt, sät und schneidet der Farmer mit Maschinen. Die Maschine schneidet, bindet Garben, und mit Hilfe des Dampfes wird gedroschen. Der Farmer kann beim Pflügen seine Morgenzeitung lesen, und er sitzt auf gedecktem Sitz der Maschine, während er schneidet.“[2]

Diese Umwälzung in der amerikanischen Landwirtschaft seit dem „großen Kriege“ war aber nicht das Ende, sondern der Anfang des Strudels,

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[1] W. A. Peffer: l. c., S. 58. – [Fußnote im Original]

[2] W. A. Peffer: I. c. Introduction, S. 6. Seeing berechnet Mitte der 80er Jahre das notwendige Bargeld für einen „sehr dürftigen Anfang“ der kleinsten Farm im Nordwesten auf 1200–1400 Dollar. (Siehe Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerikas, Leipzig 1887, S. 431.) – [Fußnote im Original]