Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 346

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Jahren nach dem Bürgerkriege wurden die Plantagenbesitzer der Südstaaten durch die Emanzipation der Neger gezwungen, den Dampfpflug einzuführen. Besonders aber wurden die im Westen im Anschluß an den Eisenbahnbau frisch entstehenden Farmen von vornherein auf die modernste Maschinentechnik gestellt. „Zur selben Zeit“, schrieb der Bericht der landwirtschaftlichen Kommission der Vereinigten Staaten im Jahre 1867, „während die Anwendung der Maschinerie den Landbau im Westen revolutioniert und das Verhältnis der angewandten menschlichen Arbeit auf das niedrigste bisher erreichte Maß herabdrückt, ... widmen sich hervorragende administrative und organisatorische Talente der Landwirtschaft. Farmen von mehreren tausend Hektar werden mit mehr Geschick geleitet, mit einer zweckmäßigeren und ökonomischeren Ausnutzung der vorhandenen Mittel und einem höheren Ertrag als Farmen von 40 Hektar.[1]

Gleichzeitig stieg die Last der direkten wie der indirekten Steuern enorm. Mitten im Bürgerkriege wurde ein neues Finanzgesetz geschaffen. Der Kriegstarif vom 30. Juni 1864, der die Hauptgrundlage des noch heute geltenden Systems bildet, erhöhte die Verbrauchssteuern und die Einkommenssteuern in außerordentlichem Maße. Hand in Hand damit begann eine wahre Orgie der Schutzzöllnerei, die jene hohen Kriegssteuern als Vorwand nahm, um die Belastung der einheimischen Produktion durch Zölle auszugleichen.[2] Die Mr. Morrill, Stevens und die anderen Gentlemen, die den Krieg benutzten, um mit ihrem protektionistischen Programm Sturm zu laufen, haben das System begründet, wonach die Zollpolitik offen und zynisch zum Werkzeug jeglicher Privatinteressen der Plusmacherei gemacht wurde. Jeder einheimische Produzent, der vor dem gesetzgebenden Kongreß erschien, um irgendeinen speziellen Zoll zu verlangen, damit er seine Taschen füllen konnte, sah sein Verlangen in willfähriger Weise erfüllt. Die Zollsätze wurden so hoch hinaufgeschraubt, wie nur irgend jemand es forderte. „Der Krieg“, schreibt der Amerikaner Taussig, „hatte in mancher Hinsicht auf unser Nationalleben erfrischend und veredelnd gewirkt, aber seine unmittelbare Wirkung auf das Geschäftsleben und auf die ganze Gesetzgebung betreffend Geldinteressen war eine de-

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[1] Zit. bei: Lafargue: Getreidebau und Getreidehandel in den Vereinigten Staaten. In: Die Neue Zeit, 1885, S. 344. (Der Aufsatz ist zuerst im Jahre 1883 in einet russischen Zeitschrift erschienen.) – [Fußnote im Original]

[2] “The three revenue acts of June 30, 1864, practically form one measure, and that probably the greatest measure of taxation which the world has seen ... The internal revenue act was arranged, as Mr. David A. Wells had said, on the principle of the Irishman at Donnybrook fair: ‘Whenever you see a head, hit it; whenever you see a commodity, tax it.’ Every thing was taxed, and taxed heavily.” (P. W. Taussig: The Tariff History of the United States, New York 1888, S. 164.) – [Fußnote im Original]