Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 344

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Eisenbahnen, d. h. europäisches, hauptsächlich englisches Kapital, führten den amerikanischen Farmer Schritt für Schritt über die unermeßlichen Gefilde des Ostens und Westens der Union, wo er die Indianer mit Feuerwaffen, Bluthunden, Schnaps und Syphilis vertilgte und gewaltsam vom Osten nach dem Westen verpflanzte, um sich ihren Grund und Boden als „freies Land“ anzueignen, zu roden und unter Kultur zu setzen. Der amerikanische Farmer, der „Hinterwäldler“ der guten alten Zeit vor dem Sezessionskrieg, war ein ganz anderer Kerl als der heutige. Er konnte so ziemlich alles, und er kam auf seiner abgeschiedenen Farm beinahe ohne die Außenwelt ganz gut aus. „Der heutige amerikanische Farmer“, schrieb zu Beginn der 90er Jahre Senator Peffer, einer von den Leitern der Farmers Alliance, „ist ein ganz anderer Mensch als sein Ahne vor fünfzig oder hundert Jahren. Viele von den heute Lebenden erinnern sich an die Zeit, wo sich die Farmer in bedeutendem Maße mit Gewerbe befaßten, d. h., wo sie selbst einen bedeutenden Teil dessen verfertigten, was sie für ihren eigenen Bedarf brauchten. Jeder Farmer hatte eine Kollektion Werkzeuge, mit deren Hilfe er aus Holz Gerätschaften verfertigte, wie z. B. Heugabel und Harke, Stiele zum Spaten und Pflug, Deichseln für den Wagen und eine Menge anderer Holzgeräte. Ferner produzierte der Farmer Flachs und Hanf, Schafwolle und Baumwolle. Diese Textilstoffe wurden auf der Farm verarbeitet: Sie wurden im Hause versponnen und gewoben; ebenso wurden im Hause Kleider, Wäsche und dergleichen verfertigt, und alles dies wurde von ihm selbst verbraucht. Bei jeder Farm gab es eine kleine Werkstatt für Zimmermann-, Tischler- und Schlosserarbeit, im Hause selbst aber eine Wollkratze und einen Webstuhl; es wurden Teppiche, Decken und anderes Bettzeug gewoben; auf jeder Farm wurden Gänse gehalten, mit deren Daunen und Federn man die Kissen und Federbetten füllte; der Überfluß wurde auf dem Markt der nächsten Stadt verkauft. Im Winter wurden Weizen, Mehl, Mais in großen mit 6 oder 8 Pferden bespannten Wagen zum Markt gefahren, hundert oder zweihundert Meilen weit, dort kaufte man für das nächste Jahr Kolonialwaren, gewisse Stoffe und dergleichen ein. Man konnte auch unter den Farmern verschiedene Handwerker finden. Ein Wagen wurde auf der Farm während der Dauer von einem oder zwei Jahren hergestellt. Das Material dazu fand man in der Nähe; die Art des zu benutzenden Bauholzes wurde im Vertrag mit dem Nachbar genau festgesetzt; es mußte in einer bestimmten Zeit geliefert und dann eine bestimmte Zeit lang getrocknet werden, so daß, wenn der Wagen fertig war, beide Parteien des Vertrages wußten, woher jedes Holzstück kam und wie lange es getrocknet wurde. In der

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