Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 5, 4. Auflage, Dietz Verlag Berlin 1990, S. 320

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tausende erhalten und eine lange innere Geschichte durchgemacht, trotz aller Stürme „in den politischen Wolkenregionen“. Im 6. Jahrhundert vor der christlichen Ära drangen in das Indusgebiet die Perser und unterwarf en sich einen Teil des Landes. Zwei Jahrhunderte später zogen die Griechen ein und hinterließen als Ableger einer ganz fremden Kultur die alexandrinischen Kolonien. Die wilden Skythen machten eine Invasion ins Land. Jahrhundertelang herrschten die Araber in Indien. Später kamen von den Höhen des Iran die Afghanen, bis auch diese durch den ungestümen Ansturm der Tatarenhorden aus Transoxanien vertrieben wurden. Schrecken und Vernichtung bezeichneten den Weg, auf dem die Mongolen vorüberzogen, ganze Dörfer wurden niedergemetzelt, und die friedlichen Fluren mit den zarten Reishalmen färbten sich purpurn von Strömen vergossenen Blutes. Aber die indische Dorfgemeinde hat alles überdauert. Denn alle mohammedanischen Eroberer, die einander ablösten, ließen schließlich das innere soziale Leben der Bauernmasse und seine überlieferte Struktur unangetastet. Sie setzten bloß in den Provinzen ihre Statthalter ein, die die militärische Organisation überwachten und Abgaben von der Bevölkerung einsammelten. Alle Eroberer gingen auf die Beherrschung und Ausbeutung des Landes aus, keiner hatte ein Interesse daran, dem Volke seine Produktivkräfte zu rauben und seine soziale Organisation zu vernichten. Der Bauer mußte im Reiche des Großmoguls jährlich seinen Tribut in Naturalien an die Fremdherrschaft entrichten, aber er konnte in seinem Dorf ungeschoren leben und auf seiner Sholgura wie seine Urväter Reis bauen. Dann kamen die Engländer, und der Pesthauch der kapitalistischen Zivilisation vollbrachte in kurzer Zeit, was Jahrtausende nicht vermocht und was das Schwert der Nogaier nicht fertiggebracht hatte: die ganze soziale Organisation des Volkes zu zertrümmern. Der Zweck des englischen Kapitals war in letzter Linie, die Existenzbasis selbst der indischen Gemeinde: den Grund und Boden, in die eigene Macht zu kriegen.

Zu diesem Zwecke diente vor allem die bei den europäischen Kolonisatoren seit jeher beliebte Fiktion, wonach alles Land in der Kolonie Eigentum der politischen Herrscher wäre. Die Engländer schenkten nachträglich ganz Indien als Privatbesitz dem Großmogul und seinen Statthaltern, um es als deren „rechtmäßige“ Nachfolger zu erben. Die angesehensten Gelehrten der Nationalökonomie, wie James Mill, stützten diese Fiktion diensteifrig mit „wissenschaftlichen“ Gründen, so namentlich mit dem famosen Schluß: man müsse annehmen, daß das Grundeigentum in Indien dem Herrscher gehörte, „denn wollten wir annehmen, daß nicht er der

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